Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neandermord

Neandermord

Titel: Neandermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
Vom Netzwerk:
aufzufallen, latschten sie mit wuchtigen Videokameras herum und filmten Verdächtige. Sie gaben am Tatort eintreffenden Polizisten Befehle, die auch prompt befolgt wurden, und hatten in null Komma nichts jede Information, die sie brauchten. Wenn sie jemanden belauschen wollten, hatten sie meist das Glück, eine offene Tür oder ein Fenster zu finden. Die Bösewichter zogen auch niemals die Vorhänge zu, sodass man von draußen schön sehen konnte, wer gerade bei ihnen gefangen gehalten wurde. Dass die Gangster meist Erdgeschosswohnungen bewohnten, verstand sich von selbst. Kein Wunder, dass Ingos Leute immer nur eine halbe Stunde brauchten, um einen Fall zu lösen.
    Immerhin bekam ich noch ein gutes Stück »King of Queens« mit: die schöne Folge, in der Doug und Carrie die Hochzeit eines alten Freundes vermasseln, weil just auf der Feier rauskommt, dass Carrie was mit dem Bräutigam hatte, während Arthur vergeblich versucht, sein Essen umzutauschen.
    Apropos Essen.
    Ich ging in die Küche, schob eine Pizza in die Mikro und holte mir etwas zu trinken aus dem Kühlschrank. Nichts Alkoholisches. Ich musste schließlich noch als seriöser Detektiv auftreten.
    Als um Viertel nach das Quiztaxi anfing und der unbekannte Klient immer noch nicht aufgetaucht war, aß ich meine Pizza. Bis halb acht sah ich noch zu, wie zwei Jungs von knapp siebzehn Jahren, von denen man sich fragte, wie sie sich ein Taxi leisten konnten, Telefon- und Passantenjoker verplemperten. Die Frage war: Wie heißt der Urmensch, der nach einem Flusstal bei Düsseldorf benannt ist? Als sie schließlich »Ötzi« sagten, war das erste Leben weg.
    Ich verlor die Geduld, packte die Fotos und machte mich auf den Weg zum Auto.
    Ich hätte das, was ich gerade im Fernsehen erlebt hatte, als Warnung nehmen müssen. Genau betrachtet, warnt uns das Leben ja andauernd. Aber wer ist schon in der Lage, die richtigen Signale aus dem Wust von Input um uns herum herauszulesen?

2. Kapitel
    Der Asphalt von Leverkusen glühte genauso wie der Straßenbelag in Wuppertal. Ich spürte die Hitze durch die Sohlen meiner Turnschuhe.
    Ich hielt an der Tankstelle etwas abseits der Zapfsäulen und drückte die Zentralverriegelung meines Golfs.
    Die großen Spritverkaufshäuser hatten Klimaanlagen. Das hier war eine sogenannte freie Tankstelle, die sich so was nicht leisten konnte. Dafür war der Diesel billiger. Im Verkaufsraum zerteilte ein müder Ventilator mit einer Geschwindigkeit von einer Umdrehung pro Herzschlag die dicke Luft. Ein dunkelhaariger Typ in Netzhemd und Jogginghose war vor mir und bezahlte gerade. Ich hatte es nicht eilig, griff mir im Vorbeigehen eine Prinzenrolle und ließ meinen Blick über die Auslagen der angebotenen Presse schweifen. In Sichtweite hauptsächlich Tittenmagazine und Schärferes -eingeschweißt und mit Deckblatt versehen.
    Endlich trampelte der Vorstadtheini nach draußen, und ich war mit dem Mann in der Tankstelle allein.
    »Welche Säule?« Erst jetzt blickte er auf. »Ach Sie sind’s, Herr…«
    Kleiber wirkte wie eine Maus, die in eine Lebendfalle geraten war und in ständiger Bewegung ihren Käfig abschnupperte, um doch noch einen Ausgang zu finden. Seine grauen Augen, die farblich genau zu seinen strähnigen Haaren passten, huschten unablässig hin und her, als habe er Mühe, seine Umgebung im Blickfeld zu halten. Als er mich vor vier Tagen zum ersten Mal in meinem Büro besucht hatte, glaubte ich ernsthaft, irgendjemand sei hinter ihm her - die Tankstellenmafia oder sonst wer, aber es war nur ein Tick von ihm, an den man sich gewöhnen musste.
    Sein Alter war schwer zu schätzen. Er konnte fünfunddreißig oder auch fünfzig sein. Trotz der Hitze war auf seinem Gesicht kein einziger Schweißtropfen zu sehen. Dabei trug er eine dicke Jeans und ein Flanellhemd.
    »Herr Rott… Rott.«
    Ein weiterer Tick von ihm war, dass er manchmal Wörter wiederholte - als sei er beim ersten Mal nicht sicher gewesen, dass er sie richtig herausgebracht hatte. Stottern auf Wortebene.
    »Guten Tag, Herr Kleiber«, sagte ich langsam. Bei diesem Menschen musste man gegenhalten, damit er einen mit seiner hektischen Art nicht ansteckte.
    »Und? Wie sieht es aus … aus?«
    In meiner Hose begann es in mehreren Stößen zu vibrieren. Das Handy. Wieder eine SMS.
    Kleiber nahm das ungewohnte Geräusch zum Anlass, sich nervös umzusehen.
    »Keine Sorge«, sagte ich. »Nur eine Nachricht. Darum kümmere ich mich später.« Ich wartete drei Umdrehungen des

Weitere Kostenlose Bücher