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Nebenwirkungen

Nebenwirkungen

Titel: Nebenwirkungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Allen
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geplanten Kernexplosion zu entfernen. Als die Minuten so vertickten und sich herausstellte, daß der Versuch weiterginge wie geplant, hörte man Nadelmann "Uh-oh" murmeln, und dann rannte er drauf zu. Was die Zeitungen nicht schrieben, war, daß er schon den ganzen Tag nichts gegessen hatte.
    Es ist leicht, sich den allgemein bekannten Nadelmann in Erinnerung zu rufen. Brillant, engagiert, der Verfasser von "Die Stilmoden der Modestile". Aber der private Nadelmann ist es, dessen ich immer liebevoll gedenken werde: Sandor Nadelmann, den man nie ohne irgendeinen Lieblingshut sah. Und tatsächlich ist er mit einem Hut auf dem Kopf verbrannt worden. Seinem ersten, glaube ich. Oder der Nadelmann, der Walt-Disney-Filme so leidenschaftlich liebte und trotz einleuchtender Erkärungen der Trickfilmtechnik durch Max Planck nicht davon abzubringen war, sich telefonisch mit Minnie Mouse persönlich verbinden zu lassen.
    Einmal wohnte Nadelmann als Gast in meinem Haus, und ich wußte, er mochte eine ganz bestimmte Marke Thunfisch. Ich stattete die Gästeküche damit aus. Er war zu schüchtern, mir seine Schwäche einzugestehen, aber als er sich einmal alleine glaubte, machte er alle Dosen auf und murmelte: "Ihr seid alle meine Kinder."
    Als Nadelmann mit meiner Tochter und mir einmal in der Mailänder Oper war, beugte er sich aus seiner Loge und fiel in den Orchestergraben. Zu stolz zuzugeben, daß das ein Mißgeschick war, besuchte er die Oper einen Monat lang jeden Abend und wiederholte jedesmal den Sturz. Bald zog er sich eine leichte Gehirnerschütterung zu. Ich machte ihm klar, daß er damit aufhören könne, da er seinen Zweck erreicht habe. Er sagte: "Nein. Noch ein paarmal. Es ist wirklich gar nicht übel."
    Ich erinnere mich an Nadelmanns siebzigsten Geburtstag. Seine Frau kaufte ihm einen Schlafanzug. Nadelmann war offensichtlich enttäuscht, denn er hatte durchblicken lassen, daß es auch ein neuer Mercedes täte. Es spricht noch immer für die Persönlichkeit dieses Mannes, daß er sich in sein Arbeitszimmer zurückzog und seinen Koller ganz allein mit sich ausmachte. Er kehrte lächelnd zu der Party zurück und trug den Pyjama zur Premiere von zwei Arabalschen Einaktern.

Der zum Tode Verurteilte
     
     
    Brisseau lag schlafend im Mondlicht. Wie er so auf dem Rücken im Bett lag (sein fetter Bauch ragte in die Luft, und sein Mund war zu einem albernen Lächeln verzogen), wirkte er eher wie ein unbeseelter Gegenstand, wie ein großer Fußball oder zwei Opernbilletts. Als er sich einen Augenblick später umdrehte und ihn das Mondlicht aus einem anderen Winkel zu treffen schien, sah er genau wie ein siebenundzwanzigteiliges silbernes Aussteuerservice aus, komplett mit Salatschüssel und Suppenterrine.
    Er träumt, dachte Cloquet, als er, einen Revolver in der Hand, sich über ihn beugte. Er träumt, und ich existiere wirklich. Cloquet haßte die Wirklichkeit, war sich aber klar darüber, daß sie noch immer der einzige Ort war, wo man ein anständiges Steak bekam. Er hatte noch nie einem Menschen das Leben geraubt. Sicher, er hatte einmal einen verrückten Hund erschossen, aber erst, als er von einem Psychiaterteam für verrückt erklärt worden war. (Sie stellten fest, der Hund sei manisch-depressiv, denn er hatte versucht, Cloquet die Nase abzubeißen, und sich dann nicht mehr das Lachen verkneifen können.)
    In seinem Traum war Brisseau an einem sonnenbeschienen Strand und lief freudig seiner Mutter in die ausgestreckten Arme, aber als er die weinende, grauhaarige Frau gerade umarmen wollte, verwandelte sie sich in zwei Kugeln Vanilleeis. Brisseau stöhnte, und Cloquet ließ den Revolver sinken. Er war durch das Fenster hereingekommen und hatte länger als zwei Stunden reglos über Brisseau gebeugt dagestanden, unfähig abzudrücken. Einmal hatte er sogar den Hahn gespannt und die Pistolenmündung Brisseau genau ins linke Ohr gehalten. Dann gab es an der Tür ein Geräusch, und Cloquet sprang hinter die Kommode und ließ die Pistole in Brisseaus Ohr stecken.
    Madame Brisseau trat in einem geblühmten Bademantel ins Zimmer, schaltete eine kleine Lampe an und bemerkte die Waffe, die ihrem Gatten einfach so seitlich aus dem Kopf ragte. Sie seufzte beinahe mütterlich, zog sie heraus und legte sie neben das Kopfkissen. Sie stopfte einen herausgerutschten Zipfel der Bettdecke fest, knipste das Licht aus und ging hinaus.
    Cloquet, der ohnmächtig geworden war, erwachte eine Stunde später. Einen fürchterlichen Augenblick

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