Nebular Sammelband XL 1 - Aufbruch der Menschheit (Episode 1-30 - "Die Große Erschütterung")
Wasseroberfläche selbst, die durch die Welle verformt wird. Der Raum verformt sich und nicht mein Körper!
Noks Gedanken überschlugen sich. Ihr Körper wurde nun gestaucht, bis zur Unkenntlichkeit zusammengedrückt und auf grausame Weise entstellt. Noch immer reagierte ihr Körper nicht auf die Befehle ihres hellwachen Verstandes. Alles was sich in ihrem Gesichtsfeld befand, unterlag derselben abstrusen Verwandlung. Die Kommandokonsole vor ihr wurde zu einem dünnen Gegenstand zusammengepresst, kaum stärker als ein Blatt Papier.
Wenn unsere Körper in der Raum-Zeit erstarrt sind, warum funktioniert dann noch mein Denken? Wer hat diese grausame Gesetzmäßigkeit festgelegt und warum? Ist die Seele und der Verstand vielleicht doch eine getrennte Einheit, die genau dann triumphiert, wenn der fleischliche Körper versagt?
Noks Gedanken wurden auf etwas anderes gelenkt.
Waren da Geräusche?
Töne, tief und hässlich, drangen an ihr Ohr. Es war ein auf- und abschwellendes Brummen und erinnerte an einen viel zu langsam abgespielten Audiospeicher.
Mein Gehör, es kommt zurück
, dachte die Kommandantin angespannt, als ihr Körper sich wieder zu strecken begann und auf seiner normalen Größe stabilisierte. Dann folgten krachende und knackende Töne, die ihr Trommelfell erschütterten.
Was ist das
, dachte Nok alarmiert.
Lässt die Schockwelle die Kruste des Mondes bersten? Wird der erstarrte Mond durch dieses Phänomen am Ende doch zerstört und speit uns alle ins kalte All hinaus?
Genauso schnell, wie Nok von der Raum-Zeit-Verzerrung erfasst wurde, fiel sie wieder in die Realität zurück. Zuerst rauschte es in ihren Ohren, dann stieß ihr Mund jenen Schrei aus, den sie bereits vor Minuten ausrufen wollte, oder war es vor Sekunden?
Die Kommandantin hatte ihr objektives Zeitgefühl verloren. Ihre Arme fuhren in die Höhe, ein Abwehrreflex, der ins Leere lief. Noks geistiges und körperliches Zeitgefühl wurden wieder zu einer Einheit und ihre Wahrnehmung normalisierte sich.
In derselben Sekunde wurde die Kommandantin von einer Titanenfaust erfasst und zu Boden geschmettert. Beim Sturz biss sie sich auf die Lippen und schmeckte Blut.
Die anschwellende Schwerkraft warf auch die übrigen Männer und Frauen der Befehlszentrale zu Boden.
Dieselbe Schwerkraftanomalie, welche vor dem Eintreffen der Schockwelle spürbar war, stellte sich auch nach ihr wieder ein, nur spürbar stärker.
Splitternde Geräusche waren zu hören. Konsolen brachen zusammen, Deckenverkleidungen und Beleuchtungselemente lösten sich und stürzten auf die Menschen herab. Schmerzvolle Schreie zeugten von Verletzten. Es war ein Albtraum.
Nok überkam starke Übelkeit. Das Blut wich aus ihren Extremitäten und konzentrierte sich im Körper, um die lebenswichtigen Organfunktionen aufrechtzuerhalten. Ihre Knochen knackten. Tragende Elemente der Kuppel-Stahlverkleidung ächzten, bogen sich gefährlich und drohten einzuknicken.
»Hassan«, presste Nok unter höchster Anstrengung hervor. »Verschlusszustand ...«
Der Techno-Hybride reagierte sofort und schritt, unbeeindruckt von den widrigen Umgebungsbedingungen, zum Kommandosessel, um die Notschaltung zu aktivieren. Überall in der Station schlossen sich die Schotten. Sollte es einen lokal begrenzten Hüllenbruch geben, dann hätten die Menschen in anderen Bereichen wenigstens eine Chance, den Druckverlust und die Schockwelle zu überleben.
Noch einmal bebte die Station, dann kehrte eine unheimliche Stille ein. Erst nach Sekunden der Ruhe war das Wimmern von Verletzten zu hören. Auf der Stationsanzeige liefen von überall Notrufe ein.
Nok zog sich an ihrem Kommandosessel hoch und wischte sich ihr langes Haar aus dem Gesicht. Ihre Steckfrisur hatte sich aufgelöst. Mit einem schnellen Griff wickelte sie ihre Haare kurz entschlossen zu einem wenig ansehnlichen Knoten.
»War es das?«, waren ihre ersten Worte. »Kann mir jemand einen Status geben?«
Ein junger Offiziersanwärter mit einer stark blutenden Kopfwunde richtete sich auf. Er zitterte am ganzen Körper.
»Kommandantin ...«
Nok sah kurz zu dem jungen Mann hinüber.
»Melden Sie sich sofort in der medizinischen Station! Wo ist der diensthabende Offizier?«
Das Gesicht des Mannes wirkte bleich und fahl, als er antwortete: »Er ist tot!«
Nok hielt den Atem an und sah den Mann regungslos am Boden liegen. »In Ordnung, Fähnrich. Was können sie mir melden?«
»Die meisten Instrumente sind ausgefallen. Wir erhalten Notrufe von
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