Necroscope 8: BLUTFÜRSTEN (German Edition)
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Als Trask daran dachte, wie Harry in jener Nacht ausgesehen hatte, als das Dezernat sein Haus niederbrannte, schauderte ihn abermals. Gott! Sahen so die Wamphyri-Fürsten in Nathans Welt – zumindest auf der Sternseite – aus? Natürlich wusste er, dass dem so war, ja, dass sie noch schlimmer waren. Denn Harry hatte das Böse, das er in sich trug, nach Kräften bekämpft, bis zum bitteren Ende, und Nathan zufolge selbst auf der Sternseite noch. Die Wamphyri dagegen ließen ihren Leidenschaften, ihren Begierden und allem Übel in sich freien Lauf. Sie waren die Verkörperung des Bösen.
Wie schon so oft tauchte ein letztes Bild Harry Keoghs vor Trasks geistigem Auge auf, eine Szene aus ebenjener traurigen, schrecklichen Zeit, als der Necroscope seinem Vampirismus schon beinahe, aber noch nicht ganz erlegen war:
Ein ESPer namens Geoffrey Paxton – ein hinterhältiger telepatisch begabter Dreckskerl, den man niemals für das E-Dezernat hätte rekrutieren dürfen – hatte versucht, Harry zu töten. Er wollte ihn mit einer Armbrust erschießen. Da der Schuss aber daneben ging, hatte Harry ihn sich gegriffen, und um ein Haar wäre Paxton der Kreatur in Harry zum Opfer gefallen.
Dort, im Garten seines brennenden Hauses, hatte der Vampir – der Wamphyri-Lord Harry Keogh – Paxton wie eine Flickenpuppe vor sich in die Höhe gehalten und ihn von Angesicht zu Angesicht, Auge in Auge gemustert. Ein zerbrechliches menschliches Wesen, auch wenn es ein Stück Dreck war, gegen jemanden, der menschlicher als alle anderen gewesen und nun zu einem Ungeheuer geworden war. Mit aus den Höhlen quellenden Augen und weit geöffnetem Mund sah Paxton sich, zitternd und schwitzend zugleich, nur Zentimeter von einem weiß glänzenden Tor zur Hölle entfernt, von dem der Geifer troff.
Harrys Gesicht, sein Maul ... dieser blutrote von wie Glasscherben gezackten Zähnen starrende Rachen. War dies etwa tatsächlich das Tor zur Hölle? Ebendies. Und schlimmer!
Paxton ist weich wie Butter, fromm wie ein Lamm, hatte Trask sich gedacht. Einfach zum Reinbeißen. Wenn Harry wollte, könnte er ihm mit einem einzigen Biss das Gesicht abreißen!
Und dann war ihm der Gedanke gekommen: Vielleicht will er das ja! Vielleicht wird er es tun!
Trask erinnerte sich daran, wie er gerufen hatte: »Harry! Nicht!«
Und langsam hatte der Necroscope seine monströsen an Fangeisen gemahnende Kiefer geschlossen und aufgeblickt. Im rötlichen Schein des brennenden Hauses hatte er Trask über den nebelverhangenen Garten hinweg finster angesehen.
Deine Welt ist nicht in Gefahr, Ben, war Harrys Stimme daraufhin in seinem Geist erklungen. Ich habe nicht vor, hier zu bleiben.
Starside?, hatte Trask gefragt.
Harrys Antwort hatte in einem mentalen Achselzucken bestanden. Wohin sonst?
Damit hatte er Paxton losgelassen und wie ein Stück Unrat, was er ja auch war, zur Erde fallen lassen. Gleichzeitig hatte er Trask mitgeteilt, dass der Krieg vorüber sei. Für Paxton jedoch war er noch nicht vorbei.
Der Telepath schnappte sich seine Armbrust und versuchte ein weiteres Mal, Harry zu erschießen, worauf der Necroscope ins Möbiuskontinuum verschwand. Dies war das erste Mal, dass Trask dessen Wirkungsweise aus nächster Nähe gesehen hatte:
Mit der trügerischen Geschmeidigkeit der Wamphyri war Harry von Paxton zurück und ins ... Nichts getreten, oder vielmehr geglitten! Für Trask und die Agenten des E-Dezernats, die mit im Garten waren, hatte es so ausgesehen, als habe er einfach aufgehört zu existieren. Paxtons Bolzen war hineingeschnellt in den wirbelnden Dunst von Harrys Vakuum, war davon verschlungen worden, und der Telepath hatte hervorgestoßen: »Ich habe ihn erwischt! Ich bin mir sicher, dass ich den Bastard erwischt habe! Ich konnte ihn ja gar nicht verfehlen!«
Doch die Nebelschleier, die sich hinter dem Necroscopen geschlossen hatte, teilten sich wieder, und geisterhaft drang seine belegte, gurgelnde Stimme daraus hervor: »Tut mir sehr Leid, dass ich dich enttäuschen muss.«
Da hatte Trask tief Atem geholt, und heiße rauchgeschwängerte Luft war in seine Lungen gedrungen, als sich aus dem Nichts eine riesige graue Hand mit Nägeln wie rostzerfressene Angelhaken um Paxtons Kopf schloss und ihn kreischend aus dem Garten und geradewegs aus diesem Universum herauszerrte.
Dann ...
Es wäre für Harry ein Leichtes gewesen, den Telepathen zu töten. Aber er hatte es nicht getan. Stattdessen hatte er ihn wenige Augenblicke später wieder im
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