Nele geht auf Klassenfahrt
nach oben zu dem Irrlicht zu schauen, denn ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, wurden ihre Beine immer wackliger.
Schließlich war es fast halb eins, aber Moritz tauchte einfach nicht auf. »Moritz, du bist ein totaler Feigling«, brüllte Nele wütend in den schrecklichen Sturm. Das Wasser stieg immer höher und peitschte gegen die Schiffswand. Gerade als Nele überlegte, ob sie es wagen sollte, das Schiff und vor allem die Schatzkiste alleine unter die Lupe zu nehmen, bevor die Batterien ganz leer waren, hörte sie ein grässliches Heulen. Kleine Lichtkugeln schwirrten über das Meer und erhellten die pechschwarze Wasserfläche für nur wenige Sekunden.
Die toten Piratenseelen, von denen Frau Birnbaum erzählt hat!, dachte Nele panisch. Ein schwerer glitschiger Gegenstand platschte direkt auf ihre Füße. Sammy bellte sich die Kehle heiser.
Nele wurde ganz schwindlig vor Angst. Sie wollte davonlaufen, aber anstatt Fersengeld zu geben, sackte sie einfach auf die Knie.
»Hilfe!«, flüsterte sie. Selbst ihre Stimme machte vor Angst schlapp. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie sich je so gefürchtet hatte. Wieder wurde es für einen kurzen Moment taghell um sie herum. Diesmal war es eindeutig ein Blitz, denn gleich danach folgte ein schrecklicher Donner.
Und plötzlich entdeckte sie es. Ein kleines Robbenbaby direkt vor ihren Füßen! Es heulte und jammerte ganz fürchterlich!
Vermutlich hatte es der Sturm an Land geschwemmt und von seiner Mama getrennt. Ohne zu zögern schnappte Nele das verstörte Tier und hielt es fest, bevor die nächste große Welle es mit sich fortschwappte. Ein Glück, dass sie in der Robbenaufzucht so einen Heuler aus Spaß hochgehoben hatte. Diese Tiere waren nämlich furchtbar glitschig und viel schwerer als ihr Hundebaby.
Nele schleppte den armen Heuler keuchend Richtung Klippen. Dort fand sie in einer kleinen Höhle zusammen mit Sammy und dem Robbenbaby erst einmal Unterschlupf. Plötzlich hatte sie gar keine so schreckliche Angst mehr vor Piratenseelen und Irrlichtern. Viel mehr sorgte sie sich um Sammy und den kleinen Heuler.
Das aufgewühlte Meer kroch immer näher. Nele bibberte vor Kälte und Sammy und der Heuler zitterten mit.
»Hoffentlich müssen wir nicht alle ertrinken«, schluchzte Nele angstvoll, als das Meerwasser bereits kleine Strudel um ihre Füße spülte.
»Komm, Sammy. Wir rufen um Hilfe.«
Nele holte tief Luft: »Hiiiilfe!« Das war nicht mehr als ein müdes Krächzen. Sammy stieß einen hohen klagenden Ton aus. Das klang deutlich lauter.
»Sammy? Nele?«, rief eine Stimme. Sie klang ganz nahe.
Nele schrie glücklich auf. »Frau Schäfer, hier! Hier sind wir.«
Sammy begann so laut und wild zu bellen, dass selbst ein Werwolf vor ihm davongelaufen wäre.
Da watete Frau Schäfer auch schon in die Höhle und schloss Nele fest in ihre Arme. »Was ist denn das?«, fragte sie erstaunt und ließ Nele los, weil etwas Kugelrundes gegen ihre Brust drückte.
»Ein kleiner Heuler, den haben Sammy und ich gerettet«, antwortete sie. Und dann musste sie erst einmal eine halbe Ewigkeit lang weinen.
Keine Ahnung, wie die Sache für Nele ausgegangen wäre, wenn ihre Erzfeindin Josefine ihr nicht gefolgt und alles haarklein beobachtet hätte.
Als Nele in der Höhle verschwand, hatte Josefine einen echten Geistesblitz und erkannte, dass Nele sich tatsächlich in Gefahr befand. Sie raste zurück zum Leuchtturm und tat das einzig Richtige: Sie holte Frau Schäfer aus dem Bett und erzählte ihr alles.
Natürlich bekam Nele diesmal richtigen Ärger. Selbst Suse Birnbaum war stinksauer. Gleichzeitig waren alle heilfroh, dass die Sache gut ausgegangen war. Aber einen kleinen Denkzettel hatte Nele schon verdient, auch wenn sie dem Heuler das Leben gerettet hatte. Schließlich durfte kein Kind mitten in der Nacht aus dem Leuchtturm weglaufen und heimlich Abenteuer bestehen.
Und während die anderen in den letzten drei sonnigen Tagen sogar noch im Meeresschwimmbad herumtobten und mit ihrer neuen Heldin Josefine auf echten Inselponys ritten, musste Nele für ein paar Stunden arbeiten.
Bei den kleinen Heulern unten im Hafen! Aber das machte ihr sogar richtigen Spaß und der Winzling, den sie höchstpersönlich gerettet hatte, kriegte immer eine Extraportion Fisch. Weil Moritz ein total schlechtes Gewissen hatte, machte er die drei Tage freiwillig mit.
Am allerletzten Tag, als alle Heuler gefüttert waren und sich Nele mit Tränen in den Augen von ihrem Heuler
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