Nelken fuers Knopfloch
heimliche Konkurrenz mit ein Grund dafür war, daß die Zeitungen über die Pforten-Ehe fünfzehn Jahre lang berichten konnten, als erzählten sie ihren Lesern die Mär von dem Vorhandensein eines Pärchens schneeweißer Raben. Kleine Eskapaden, die Michael Pforten sich von Zeit zu Zeit leistete, konnten den Ruhm dieser Musterehe nicht trüben. Gewiß, man sah ihn zuweilen in der Gesellschaft anderer Frauen, zumeist sehr junger, kapriziöser und ehrgeiziger Geschöpfe, aber was besagte das schon? Sein Publikum hielt zu ihm und bestand darauf, daran zu glauben, daß Pforten ein selbstloser und edler Entdecker junger Talente sei.
Aber das waren eigentlich spätere Geschichten. Damals heirateten sie also mit Marcel und Helianes Vater Heinrich Sartor als Trauzeugen — und genau ein halbes Jahr später schlug das Schicksal erbarmungslos zu.
Pforten traf Etienne, der zur Vorbereitung eines Vortrages in der Staatsbibliothek zu tun hatte, zufällig in der Stadt. Pforten hatte damals kurz zuvor Sachrang erworben, einen verwahrlosten Bauernhof mit rund vierzig Tagwerk Grund und einem verfallenen Haus, das er niederreißen ließ, um an seiner Stelle einen Traum zu verwirklichen. Heliane war nach Sachrang hinausgefahren, um mit dem Innenarchitekten über die Tapeten und über die Möblierung der Räume zu verhandeln. Sie riefen sie an, so rasch wie möglich in die Stadt zu kommen und mit ihnen zu essen. Etienne hatte das Mahl persönlich zusammengestellt. Er konnte auf seinen Expeditionen monate- und jahrelang von Maistortillas, süßen Kartoffeln und zähem, chiligepfeffertem Ochsenfleisch leben. Wenn er in Europa war, vermochte ihn nur die erlesenste Küche zufriedenzustellen. Die Küchenchefs der besten Hotels waren seine Freunde, und gelegentlich brachte er ihnen Rezepte aus fernen Ländern mit, die dann als Spezialitäten auf der Speisekarte des Hauses erschienen.
Der Architekt brachte Heliane in seinem Wagen in die Stadt zurück und setzte sie, da er vor dem Hotel keine Parkmöglichkeit fand, auf der anderen Straßenseite ab. Ein Lieferwagen versperrte ihr die Sicht, als sie die Straße überqueren wollte, und sie lief in einen mit hoher Geschwindigkeit daherkommenden Wagen hinein. Die Bremsen des Unglücksfahrzeugs kreischten so laut auf, daß Pforten und Etienne es im Hotel hörten und ihre Bemerkungen über den Narren machten, der draußen mit seiner Raserei gerade ein Unheil angerichtet haben mochte. Zwei Minuten später erschien der Hoteldirektor leichenblaß an ihrem Tisch und stotterte, daß es sich bei der Dame, die schwer verletzt vor dem Hotel liege, um Pfortens Frau handle.
Sie war inzwischen, blutüberströmt und in tiefer Bewußtlosigkeit, in der Hotelhalle auf ein paar rasch herbeigeholten Kissen auf den Boden gebettet worden. Inmitten des kopflosen Hotelpersonals und verstörter Gäste, auch Michael Pforten war wie gelähmt, behielt nur Marcel dank seiner medizinischen Ausbildung einen klaren Kopf und telefonierte nach dem Unfallwagen. Wenig später war er zur Stelle, Etienne leitete den Transport, und eine Viertelstunde später lag Heliane bereits unter dem Röntgengerät. Das Resultat der Untersuchung war niederschmetternd. Abgesehen von mehreren gebrochenen Rippen und einem Leberriß war das Becken so zertrümmert, daß — selbst wenn es noch eine Hoffnung auf die Rettung ihres Lebens gegeben hätte — es aussichtslos zu sein schien, daß sie sich jemals wieder werde frei bewegen können.
Das war für Pforten zuviel; er erlitt einen Schock, von dem er sich erst nach Wochen erholte, als es feststand, daß Heliane wenigstens am Leben bleiben werde. In dieser Zeit war es Marcel Etienne, der nach zwei Seiten Kraft und Zuversicht spenden mußte, obwohl er selber das Gefühl hatte, innerlich leer zu sein wie eine ausgebrannte Glühlampe. Die Abende und Nächte verbrachte er in der Gesellschaft von Pforten, der, sonst solide und alle Exzesse verabscheuend, unglaubliche Mengen trank, um sich zu betäuben — und die Tage in der Klinik bei Heliane, die ihn anflehte, ihr zu helfen, aus dem Leben zu gehen. Denn durch die unvorsichtige Bemerkung einer Schwester hatte sie erfahren, sie werde, auch wenn sie halbwegs wieder auf die Beine käme, niemals Kinder gebären können. Das geschah ein halbes Jahr nach dem Unfall, als ihre Jugend und Vitalität die Ärzte hoffen ließen, sie werde in Zukunft nicht gerade ein Rollstuhldasein führen müssen.
Etwa ein Jahr nach dem Unfall wurde sie auf ihr Drängen aus der
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