Neobooks - Die Zitadelle der Träume
Geheimweg aus der Stadt, um ungesehen von Stadtwachen und Ligurius’ Spionen in die Mine zu kommen. Der Wald und die Tore dürften gut bewacht sein. Ich kann nur hoffen, dass der alte Weg noch frei ist. Wenn nicht, wird es verdammt eng.«
»Können wir Kairan denn nicht doch irgendwie umgehen?«, fragte Caitlin unbehaglich, und Rhonan schüttelte den Kopf.
»Durch das Gebirge im Westen kommen wir nicht. Das ist meines Wissens unpassierbar. Es gibt von Kairan aus einen recht unwegsamen Schmugglerpfad in den Süden, aber von hier aus ist es völlig unmöglich. Wir könnten am leichtesten durch den Angus-Wald in den Süden gelangen, aber das wissen unsere Verfolger leider auch. Da werden sie uns deshalb am ehesten erwarten.«
»Aber in Kairan doch auch«, gab Gideon zu bedenken.
Rhonan nickte erst und grinste dann. »Sie werden aber nicht wissen, dass wir da sind, wenn wir durch den Tempel kommen. Euch kennt niemand. Ihr werdet euch also in aller Ruhe mit Nahrung und Pferden versorgen können und dann einfach aus dem Tor herausreiten, und ich werde den Schmugglerpfad benutzen, der nur wenigen bekannt ist.«
Caitlin blieb wie angewurzelt stehen. »Wir werden uns nicht trennen!«, keifte sie mit schriller Stimme. »Niemals!«
»Oh, doch!«
»Oh, nein!«
»Ja, doch, Liebste!«
»Nicht in hundert Jahren! Wenn ich dich nicht sehen kann …«
Rhonan unterbrach sie auf die einzige Weise, auf die es möglich war, indem er ihr den Mund zuhielt. »Ich weiß, dann schreist du ganz laut, bis ich komme. … Aua!«
Sie hatte ihm in die Hand gebissen und funkelte ihn jetzt wild an.
Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, fuhr er fort: »Hör zu, Kätzchen! Ihr beide habt nichts zu befürchten, weil keiner euch kennt, und ich kann mich wesentlich unauffälliger bewegen, wenn ich allein bin. Ich kenne die Stadt und auch noch ein paar Leute, die mir helfen werden. Wenn wir zusammenbleiben, geht die Wahrscheinlichkeit, aus Kairan herauszukommen, Richtung null. Ich habe mich jahrelang versteckt. Glaub mir, ich kann das.«
»Ich will das aber nicht. Wir werden einfach alle den Schmugglerpfad nehmen.«
»Werden wir nicht, weil Gideon und du ihn nicht bewältigen könnt, und ich könnte euch wegen der Enge der Pfade oft nicht helfen. Außerdem benötigen wir Pferde, wenn wir möglichst schnell aus dem Norden herauswollen. Es geht also gar nicht anders. Euch wird in Kairan nichts geschehen.«
Sie sah ihn traurig an. »Ich glaube ja, dass Gideon und mir dort nichts geschieht, ich habe Angst um dich.«
»Ich weiß, aber das wird sich auch in Zukunft nicht ganz vermeiden lassen. Ich habe dir nie versprochen, dass es leicht sein wird an meiner Seite. Ich habe mich bisher durch mein Leben kämpfen müssen, und ich werde vermutlich noch eine Weile weiterkämpfen müssen. Besser, du gewöhnst dich daran.«
»Ich werde mich nie daran gewöhnen«, erklärte sie mit einem unglücklichen Schluchzen.
Wie ein Häufchen Elend stand sie mit hängenden Schultern da, und er nahm sie in den Arm und küsste sie zärtlich.
»Oh, nicht schon wieder«, murmelte Gideon verdrossen. »Sie legt es doch nur darauf an.«
Caitlin schmiegte sich kichernd noch enger in die Arme ihres Gatten. »Er ist einfach zu schlau, Rhonan.«
Der lachte leise. »Hast ja recht, mein Freund. Aber warte nur, bis du wieder bei deiner Marga bist.«
Dann wandte er sich an seine Frau. »Glaub mir, Frau meines Herzens, ich werde vorsichtig sein wie nie zuvor. Niemand wird mich auf Dauer davon abhalten können, zu dir zu kommen.«
»Versprochen, Mann meines Herzens?«
»Versprochen.«
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4. Kapitel
Canon stand in leichter Lederrüstung auf der Stadtmauer und sah den ankommenden Feinden entgegen.
Es hatte in der Nacht aufgehört zu regnen, und dicke, grauschwarze Nebelschwaden zogen über die weite Ebene. Die erst ab Brusthöhe sichtbaren schwarzen Rüstungen wirkten dadurch nahezu gespenstisch, vor allem, weil der Nebel dazu noch fast jedes Geräusch verschluckte. Vereinzelt war das hohe Jaulen eines Wolfes zu hören. So weit das Auge blicken konnte, wogte ein schwarzes Meer auf Mar’Elch zu. Mittendrin wurden immer mehr Belagerungstürme und Katapulte sichtbar. Ihre gewaltige Größe ließ sogar den kampferprobten Arneke Partos die Stirn runzeln. »Mögen die Götter uns beistehen«, murmelte er tief beeindruckt.
Hatte bis vor kurzem noch atemlose Stille auf dem Wehrgang geherrscht, waren jetzt immer mehr furchtsame Stimmen, Klagen und Jammern zu hören.
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