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Neobooks - Die Zitadelle der Träume

Neobooks - Die Zitadelle der Träume

Titel: Neobooks - Die Zitadelle der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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tatsächlich ausgehen, haben wir gewonnen. Sieh dich einfach etwas um, mein Freund.«
    Er wollte ihm gerade auf die Schultern klopfen, als ein gewaltiges Krachen ihn herumwirbeln ließ. Ein Turm war nahe genug an die Mauer herangekommen, und das Fallgatter war auf die Mauer geknallt. Hordenkrieger stürmten auf den Wehrgang zu.
    »Setzt den Turm in Brand! Drängt sie zurück«, brüllte er und rannte schon los.
    Umgeben von schreienden, aber ungeschickt ihre Waffen schwingenden Schmieden, Tuchhändlern, Zureitern und Köchen stürzte er entschlossen den kampferprobten Kriegern entgegen.
    Königin Morwena saß auf ihrem Pferd und starrte mit leerem Blick auf die Senke von Pan’Tho. Die ununterbrochenen Regenfälle der letzten Tage hatten den Fluss in einen reißenden Strom verwandelt und weit über die Ufer treten lassen. Das einstmals grüne Tal, umgeben von den Ausläufern des Westgebirges, war zur Schlammwüste geworden.
    Hauptmann Delios zügelte neben ihr sein Streitross. »Meine Königin, die Brücke ist unpassierbar, an einigen Stellen weggebrochen. Wir müssen zur Straße von Tho.«
    Sie nickte. Schließlich hatte sie Augen im Kopf und hätte der überflüssigen Erklärung nicht bedurft. Den Tross hatten sie bereits weit hinter sich gelassen, um schneller voranzukommen. Aber es schien fast so, als hätte sich alles gegen sie verschworen. Einen ganzen Tag hatten sie verloren, als sie das Geröll des letzten Passweges aus dem Weg räumen mussten. Sie hatten Wege gemieden, von denen sie wussten, dass die Regenzeit sie oft unpassierbar machte, und waren lieber gleich Umwege geritten. Die Senke von Pan’Tho hatte nie zu den gefährdeten Gebieten gehört. Erneut würden sie mindestens einen Tag, eher noch zwei Tage verlieren.
    Die Stimmung in der Truppe war auf dem Tiefpunkt. Nass bis auf die Knochen, müde und hungrig schleppte sie sich seit Tagen dahin. Selbst das bisschen Nahrung, das sie in ihren Satteltaschen mitgeführt hatten, war nass und ungenießbar geworden. Zelte konnten auf dem schlammigen Untergrund kaum befestigt werden und boten sowieso wenig Schutz vor den gewaltigen Wassermassen, die der Himmel freigab.
    So lange sie lebte, hatte Morwena noch nie ein derartiges Unwetter erlebt.
    »Ihr denkt an Mar’Elch, nicht wahr, meine Königin?« Delios’ Stimme war nur leise, aber deutlich konnte sie Trauer und Angst heraushören. Das war auch nicht weiter verwunderlich, lebte doch seine ganze Familie in der Stadt. Woran sollte er sonst denken, als an seine Frau und seine vier Kinder, seine Eltern und Geschwister?
    »Die Götter strafen uns, Delios. Wir haben Männer abgeschlachtet, die sich ergeben hatten, und wir haben eine ganze Armee in den Mooren verrotten lassen. Jetzt erleben wir die Vergeltung für unsere Frevel. Wir müssen die im Stich lassen, die wir schützen wollten. Seit drei Tagen sind wir Mar’Elch nicht näher gekommen, obwohl wir fast ohne Rast unterwegs waren. Die Horden werden längst vor den Toren, vielleicht sogar schon in der Stadt sein. Für unsere Vergehen zahlt Mar’Elch jetzt den Preis.«
    Der Hauptmann schluckte schwer, widersprach aber: »Prinz Canon ist ein guter Heerführer. Er wird die Stadt halten. Das Schicksal Mar’Elchs liegt in den Händen Eures Sohnes, und es könnte kaum in fähigeren Händen liegen.«
    Wenn er überhaupt noch lebt, dachte Morwena. Vielleicht zürnten ihr die Götter ja auch so sehr, dass sie ihr bereits einen Teil des Liebsten genommen hatten, das sie auf dieser Welt besaß. Sie wusste um die Fähigkeiten ihres Sohnes, aber General Mattalan war auch einer der fähigsten Generäle Camoras gewesen, und seine Gebeine verblichen jetzt im Moor.
    Wie grausam war es doch, dass Freud und Leid so dicht nebeneinander einhergingen. Ihre Söhne waren ihre größte Freude, aber ihretwegen fühlte sie auch den größten Schmerz. Maßlosen Stolz empfand sie, wenn alle sie um die kriegerischen Fähigkeiten ihrer Söhne beneideten, und grenzenlose Angst um sie verspürte sie in jeder Schlacht.
    Sie hatte zwei unbeachtete, verschüchterte Jungen zu dem gemacht, was sie jetzt waren, mit ihren Geschichten über Schlachten, Kriegstaktiken, Ruhm und Ehre. Fast noch Kinder, waren sie schon neben ihr geritten, und aus
Morwena
war bald
Morwena und ihre Söhne
geworden.
    Schnell hatten die beiden gelernt, dass es zwei Welten gab: Die kleine Welt, in der man Zahnschmerzen und fehlenden Bartwuchs beklagen durfte, und die große Welt, in der man, gleichgültig, was es

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