Neptuns Tochter 2
Teewasser auf.
»Wo ist denn . . .?« Timea öffnete alle Schränke. Sogar in der Spülmaschine schaute sie nach.
»Suchen Sie etwas Bestimmtes?«
»Aua«, rief Timea, weil sie sich an einer der offenen Türen den Kopf gestoßen hatte. »Können Sie nicht anklopfen, Petra?«
»Wenn Sie wollen, dass ich das in Zukunft mache, wenn ich die Küche betrete, werde ich das selbstverständlich tun«, erwiderte Petra mit stoischer Ruhe.
»Natürlich will ich das nicht. Ich hab’ mich nur erschrocken.« Timea stieß die Schranktür zu. »Wissen Sie, wo die Tasse mit dem Teddybären ist?«
»Ich dachte, Sie hätten sie kaputtgemacht«, sagte Petra erstaunt. »Seit Ihre Großmutter und ich aus Ungarn zurück sind, habe ich die Tasse jedenfalls nicht gesehen.« Sie rieb sich über die Schläfen. »Aber wenn Sie unbedingt . . .«
»Lassen Sie es gut sein, Petra. So wichtig ist mir das Teil auch wieder nicht.« Es war doch nur ein Stück Porzellan. Nicht wertvoll. Nur mit ein paar Erinnerungen an Drei-Uhr-Pausen verbunden.
»Übrigens, Timea«, Petra griff in ihre Jackentasche und zog einen Umschlag heraus, »der war im Briefkasten.«
Timea , stand da in verschnörkelten Buchstaben.
»Danke.« Timea nahm den Brief entgegen, steckte ihn in die Brusttasche ihrer Hemdbluse und füllte irgendeine Tasse mit heißem Wasser.
»Warten Sie«, hielt Petra sie zurück, als Timea sich auf den Weg in ihr Büro machen wollte. »Da fehlt noch was.«
»Danke«, sagte Timea wieder und nahm den Teebeutel entgegen. Dann verließ sie hoch erhobenen Hauptes die Küche. Das Brummen von Petra Lorenz, weil es in der Küche aussah wie bei Hempels, blendete Timea wohlweißlich aus.
Als wollte sie keine Geräusche verursachen, schloss Timea vorsichtig die Bürotür. Jeden Schritt bewusst wahrnehmend, schlich sie förmlich zu ihrem Schreibtisch.
Um sich selbst zu disziplinieren, ignorierte sie den Brief. Obwohl sie das Gefühl hatte, dass er auf der Haut brannte. Es war einfach an der Zeit, zum Tagesgeschäft überzugehen. Die letzte Nacht – Timea setzte einen dicken Haken darunter.
Mika hatte gewusst, was Timea von ihr wollte. Von Anfang an. Und Mika war diejenige, die verlobt war. Nicht Timea. Trotzdem war Mika mitgekommen. Also musste Timea kein schlechtes Gewissen haben. Fertig.
Und warum traute sie sich nicht, den Brief zu lesen?
Das hatte nichts mit Sich-nicht-trauen zu tun. Das war – wie gesagt – eine Maßnahme zur Selbstdisziplinierung.
Timea verdrehte die Augen und griff in die Brusttasche. »Wem willst du hier etwas vormachen?«
Beherzt öffnete sie das Kuvert. Nachdem sie einem Schluck Tee getrunken hatte, las sie Mikas Nachricht.
Ich vermute mal, dass Du Dich inzwischen windest wie ein Aal wegen letzter Nacht. Aber keine Sorge, Timea. Die Regeln waren von vornherein klar. Keine Erklärungen, nur Sex. Zumindest habe ich Dich so verstanden. Du wolltest halt irgendwelchen Frust abbauen, und ich konnte Dir dabei helfen – gern geschehen übrigens. Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite. Hör also auf, das Gegenteil zu glauben! (Siehst Du, wie gut ich Dich kenne?)
Leider hat sich für Dich dadurch nichts geändert, das habe ich kapiert. Versteh Du dann aber bitte auch, dass sich für mich ebenfalls nichts geändert hat. Ich will immer noch mit Dir reden, Dir alles erklären . . . und überhaupt. Denn ob Du es glaubst oder nicht: Ich habe Dich nie belogen. Was ich Dir gesagt habe, meine Gefühle für Dich – alles wahr. Und irgendwann wirst Du mir zuhören. Dafür werde ich schon sorgen. Nur nicht heute und vermutlich auch nicht die nächsten Tage.
Ich werde Dich eine Zeit lang in Ruhe lassen. Weil ich es Dir versprochen habe. Keine Erklärungen. An das Versprechen fühle ich mich aber nicht ewig gebunden. Dafür bist Du mir einfach zu wichtig. Also mach Dich darauf gefasst, dass ich irgendwann vor Dir stehen werde, wenn Du am Wenigsten damit rechnest. Und dann lass ich mich nicht mehr mit fadenscheinigen Ausflüchten abspeisen. Denn ich . . . keine Panik, ich gebe Dir das jetzt nicht schriftlich. Das mach ich dann doch lieber mündlich. Deine Mika.
PS.: Falls Du mal wieder jemanden brauchst, so zum Frustabbau – meine Telefonnummer hast Du ja. Und hey – ich werde mit jedem Mal besser.
PPS: Meine Ankündigung auf der Speisekarte bleibt natürlich bestehen.
PPPS: Du magst doch Pflaumenwein? Ich liebe ihn. Der zergeht nämlich so schön auf der Zunge.
PPPPS: Mir gehen langsam die Ps aus.
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