Neptuns Tochter 2
im Raum auf und ab zu marschieren. »Du liebst dieses Haus . . .«
»Timea, Kind . . .« Die sanfte Stimme ließ Timea innehalten. »Ich könnte doch so ein paar Mauern niemals mehr lieben als dich. Wenn dir der Verkauf hilft, dann mach es.«
Es war irgendwie unwirklich. Wie ihre Großmutter da saß. Lächelnd. Das Gesicht frei von jeglicher Anspannung. Timea schluckte. »Aber . . .«
»Es gibt kein Aber.«
Timeas Einwand wurde mit einer einfachen Handbewegung weggewischt.
»Sieh mal, Timea. In den letzten Jahren hat sich dein Leben um alles gedreht, nur nicht um dich. Damit ist jetzt Schluss. Und wenn du schon nicht selbst an dich denkst, dann müssen das eben andere tun.«
Timea war nicht wohl bei dem Gedanken, dass ihre Großmutter das Zepter in die Hand nahm. Ihr war generell nicht wohl dabei, wenn das jemand tat. Aber die alte Dame war wenigstens eine Frau, der es einzig und allein um ihre Enkelin ging; die auch keine Gegenleistung verlangte.
»Wenn du meinst, Großmutter«, ergab sich Timea. Im selben Moment hatte sie das Gefühl, als hätte sich ein Felsbrocken von ihrem Brustkorb gelöst.
»Da das geklärt ist . . . was ist zwischen dir und Mika vorgefallen?«
Und schon war der Felsbrocken wieder da.
»Wie kommst du darauf, dass etwas . . .«
»Weil ich dich kenne. Sobald die Sprache auf sie kommt, blockst du ab oder wechselst das Thema. Das hast du schon als Kind gemacht, wenn du etwas vor mir verheimlichen wolltest.«
»Was mir aber nie gelungen ist«, stellte Timea fest.
»Genau. Also?«
»Das ist etwas Persönliches.«
»Geht es darum, dass sie in dich verliebt ist?«
Timea musste sich setzen. »Woher . . . ich meine . . .«
»Woher ich das weiß?« Timeas Großmutter schmunzelte. »Du vergisst, dass mein Gehör ausgezeichnet funktioniert. Damit kann ich sehr gut Zwischentöne heraushören.«
»Tja, Nagyi. Dann solltest du zum Ohrenarzt gehen. Mika wird in ein paar Wochen heiraten. Einen reichen Kerl. Ein Geschäftspartner ihres Vaters. Der übrigens Adam David heißt. Falls dir der Name etwas sagt.«
»Du nennst mich Oma«, überlegte die alte Dame. »Offenbar ist dir Mika nicht so gleichgültig, wie du allen weismachen willst.«
Der Brieföffner, mit dem Timea gespielt hatte, rutschte ihr aus der Hand.
Ihre Großmutter blieb davon unbeeindruckt. »Du vergisst es immer wieder. Ich bin nicht blind – abgesehen von den Augen. Meinst du, ich weiß nicht, dass du bisher nur Beziehungen zu Frauen gehabt hast?«
Das Blut rauschte so laut in Timeas Ohren, dass sie die nächsten Worte fast nicht mitbekam.
»Ich vermute, dass du jetzt entgeistert schaust. Das hättest du deiner alten Nagymama nicht zugetraut, stimmt’s?« Ein fröhliches Glucksen. »Und wo wir gerade dabei sind – denkst du, ich hätte Mika eingestellt, ohne mich genauer zu erkundigen?«
»Wieso . . . also . . .«
»Ach Timea, du bist wirklich einmalig, wenn du so stotterst. Bevor du jetzt kollabierst, sollte ich das Ganze beenden.«
Dankbar atmete Timea aus. Sie hatte gedacht, die letzten Tage wären nervenaufreibend gewesen. Da war sie einer riesigen Täuschung zum Opfer gefallen. Das Schlimme an der Geschichte war, dass ihre Großmutter das Thema wieder aufgreifen würde. Irgendwann. Ohne Vorwarnung. »Ich werde mich dann um den Verkauf des Hauses kümmern«, sagte Timea mehr zu sich selbst.
»Tu das, Liebes«, erwiderte ihre Großmutter.
Timea blieb unschlüssig stehen, überlegte, ob von ihr noch Informationen erwartet wurden. Nach wenigen Sekunden raffte sie sich auf und ließ ihre Großmutter mit ihren Gedanken allein. Wo auch immer die waren, dass sie so ein eigentümliches Lächeln hervorriefen. Timea wollte es nicht wissen.
Auf dem Weg in ihr Büro begegnete ihr Petra Lorentz. Das, was nun folgen musste, fiel Timea immens schwer. »Haben Sie ein paar Minuten, Petra?«, fragte sie, den Blick auf den Punkt zwischen Petra Lorentz Brauen gerichtet.
Erstaunt folgte die der Aufforderung, Timea ins Büro zu folgen.
»Wollen Sie sich nicht setzen?«, fragte Timea.
»Ist es denn nötig?«, fragte Petra Lorentz ihrerseits.
Timea rieb sich den Nacken. Sie hasste diesen Tag, seit dem bizarren Gespräch vorhin. Und für das Gespräch, das sie jetzt führen musste, hasste sie ihn noch mehr. Sie seufzte. »Ich befürchte, dass es das ist.«
Nachdem es sich Petra Lorentz ächzend bequem gemacht hat, schaute sie Timea an, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich bin bereit«, signalisierte
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