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Nero

Nero

Titel: Nero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Eckstein
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Wunde des verzweifelten Otho zu träufeln. Er hat dem ehrlichen Galba vom Tode der Kaiserin-Mutter erzählt, und Nero, den Sohn der Gemordeten, als den Thäter bezeichnet. Auch in Gallien hat er sich aufgehalten, um den Brand zu schüren gegen den Mann, den er am tödlichsten haßt von allen Geschöpfen der Erde, nicht um der hingeschlachteten Agrippina willen, sondern im heißen Erinnern an jene duftige Mädchengestalt, die er, Pallas, mit unauslöschlicher Sehnsucht geliebt – und verloren hatte, um einer Laune des Imperators willen. So glaubte er, denn Agrippina hatte ihm das Verhältnis Neros zu Acte so ausgemalt.
    »Laß mich vorüber, Cassius! Ich sinne dem Thronberaubten nichts Uebles. Ich will ihn retten.«
    »Du?« fragte Cassius zweifelnd.
    Er hatte die Lanze gesenkt.
    »Ja, ich,« wiederholte der andre. »Schon steigen die Senatoren die Stufen zum Kapitol hinan, um über den Staatsverbrecher Gericht zu halten. Die Zeit drängt.«
    So sprechend wandte er sich nach dem Schlundgang, der in den zweiten Hof führte. Cassius folgte ihm.
    »Rede, wie willst du's anfangen?« fragte der Kammersklave.
    »Das sollst du erleben. Laß mich nur wissen, wo der Erlauchte sich aufhält. Du selber kannst hier zurückbleiben.«
    In diesem Augenblick machte Cassius die Wahrnehmung, daß Pallas unter den Falten der Toga ein blankes Schwert trug.
    »Halt!« rief er, den Dolch aus dem Gürtel ziehend. »Was soll's mit der Klinge da?«
    Er hatte den Eindringling bei der Schulter gepackt.
    Pallas versuchte ihn abzuschütteln. Da's nicht gelang, zückte er, plötzlich die Maske der Heuchelei abwerfend, die verborgen gehaltene Waffe. Er durchbohrte dem Kammersklaven die Brust, während Cassius ihm den Dolch bis ans Heft in die Schulter grub. Dumpf ächzend stürzten die beiden übereinander.
    »Feiger Hund!« röchelte Cassius. »Nicht eher getraust du dich an den Löwen, bis ihm die Bosheit hinterrücks alle Sehnen durchschnitten hat. Da, nimm noch dies, eh' du hinabfährst in die Schauer der Unterwelt!«
    Er hatte im Niederbrechen den Dolch aus der Wunde gerissen und bohrte dem Feind seines Herrn die blutige Klinge nun von unten herauf in die Weiche. Pallas umkrallte mit letzter verzweifelter Kraft ihm die Gurgel; aber Cassius stieß zu bis ans Heft, als könne er nicht genug thun in der Züchtigung dieses Ueberfalles.
    Gleich danach lösten sich die Glieder der beiden Sterbenden. Pallas wälzte sich in gräßlichen Zuckungen; dann erstarrte er, lang und steif wie ein Erzbild. Cassius glitt vom Leibe des Toten herab, schlug noch einmal die Augen auf, und lag dann, mit dem Haupte wider den Sockel der korinthischen Säule gelehnt, ruhig und würdevoll wie ein Krieger, der den rühmlichen Tod in der männermordenden Schlacht gestorben.
    Inzwischen lauschte der Cäsar dem Gebrand des Straßenlärms, der unheimlich durch die Oeffnung im Deckengewölbe zu ihm herüberscholl.
    Klang das nicht da draußen wie Kampf?
    Gewiß, Tigellinus würde doch wenigstens eine Kohorte zusammenraffen und für ihn einstehen, – Tigellinus, der altbewährte, getreue Freund!
    Nero ahnte noch nicht, daß Tigellinus der erste gewesen, der das sinkende Schiff der cäsarischen Herrlichkeit schleunigst verlassen hatte.
    Aber wenn der Princeps denn wirklich noch Freunde besaß, wenn irgend wer noch das Schwert für ihn zog, weshalb war es dann rings im Palast so tot und so schweigsam?
    Die entwichenen Sklaven – hatten sie jegliche Furcht verlernt vor dem Zorn des Gebieters, der sie zermalmen würde für ihren Ungehorsam? Die zahllosen Hofbediensteten, die Atrienses in ihren goldgestickten Gewändern, die Stundenanzeiger, die Kammersklaven, die Verwalter, die Aerzte, – wo waren sie nun, diese Elenden, die bis jetzt seinen Glanz und seine Größe geteilt hatten?
    Und die sigambrischen Leibwächter, die er mit Tausenden überhäuft, die ihm Treue gelobt bei dem rabenumkrächzten Gott ihrer Heimat?
    Das Schwert erhebend, trat er zur Thüre. Eine weite Flucht von Gemächern lag stumm vor seinem ängstlich-forschenden Blicke.
    »Cassius!« rief er hinaus – und »Cassius!« klang es wie höhnend zurück von den goldgetäfelten Mauern.
    Alles leer, alles verödet wie eine Totenstadt. Er schritt vorwärts. Die Kniee wankten ihm. Rechts und links in dem spiegelhellen Metall gewahrte er verhundertfältigt sein eigenes blasses Gesicht. Er trat zu der nächsten Wand und blickte sich wie ein Irrsinniger starr in die Augen, die ihm so groß erschienen, so angsterfüllt

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