Neue Bündnisse
haben, aber Siuan sehr wohl, die mit einer Hand die Zügel und mit der anderen den Sattelknauf umklammerte. »Soweit ich herausfinden konnte, gibt es fünfzig Gerüchte und keine Tatsachen. Wahrscheinlich ist es ein Märchen, aber es könnte vielleicht dennoch wahr sein.« Bela strauchelte, ihre Vorderhufe sanken tief ein, und Siuan keuchte. »Das Licht verdamme alle Pferde!«
Sheriam hatte auch nicht mehr erfahren. Sie schüttelte den Kopf und seufzte verärgert. »Es klingt für mich alles nach Unsinn, Mutter. Es gibt immer Gerüchte über umherschleichende Schwestern. Habt Ihr niemals reiten gelernt, Siuan?« fügte sie plötzlich verächtlich hinzu. »Heute abend werdet Ihr zu wundgeritten sein, um noch laufen zu können!« Sheriams Nerven mußten bloßliegen, daß sie so offen redete.
Siuans Blick verhärtete sich, und sie öffnete halbwegs höhnend den Mund, gleichgültig, wer sie hinter dem Banner hervor beobachten mochte.
»Seid still, alle beide!« fauchte Egwene. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Sie war auch selbst ein wenig angegriffen. Was auch immer Arathelle glaubte - jegliche von Elaida zu ihrer Behinderung gesandten Streitkräfte wären zu zahlreich, um sich heimlich anzuschleichen. Also blieb noch die Schwarze Burg, schon in der Entstehung ein Unglück. Man sollte sich besser um Naheliegendes kümmern, als zu weit vorauszudenken. Besonders, wenn das Vorausliegende in einem anderen Land geschah und vielleicht gar nicht existierte.
Sie versagte sich dennoch die Worte, indem sie Sheriam Anweisungen für den Zeitpunkt gab, wenn sie das Lager erreichten. Sie war der Amyrlin-Sitz, und das bedeutete, daß sie für alle Aes Sedai die Verantwortung trug, selbst für jene, die Elaida folgten. Ihre Stimme klang jedoch felsenfest. Es war zu spät, Angst zu haben, wenn man den Wolf erst bei den Ohren gepackt hatte.
Sheriams schrägstehende Augen weiteten sich, als sie die Anweisungen hörte. »Mutter, darf ich fragen, warum...?« Sie brach unter Egwenes ruhigem Blick ab und schluckte. »Wie Ihr befehlt, Mutter«, sagte sie zögernd. »Seltsam. Ich erinnere mich noch an den Tag, als Ihr und Nynaeve zur Burg kamt, zwei Mädchen, die sich nicht entscheiden konnten, ob sie aufgeregt oder ängstlich sein sollten. Seitdem hat sich so vieles geändert.«
»Nichts währt ewig«, belehrte Egwene sie. Sie warf Siuan einen bedeutungsvollen Blick zu, die sich aber weigerte, es zu bemerken. Sie schien verdrießlich. Sheriam hingegen wirkte leidend.
Dann kehrte Lord Bryne zu ihnen zurück, und er mußte die Stimmung unter ihnen spüren. Abgesehen davon, daß er sagte, sie lägen gut in der Zeit, schwieg er. Ein kluger Mann.
Ob sie gut in der Zeit lagen oder nicht - die Sonne war bereits fast hinter die Baumwipfel gesunken, als sie schließlich durch das sich ausbreitende Lager des Heers ritten. Wagen und Zelte warfen lange Schatten über den Schnee, und eine Anzahl Männer arbeitete hart, weitere Unterstände aus Gestrüpp zu errichten. Es waren nicht annähernd genug Zelte vorhanden, selbst nicht für alle Soldaten, und das Lager beherbergte noch einmal fast ebenso viele Sattler und Wäscherinnen und alle jene, die jeglichem Heer unvermeidlich folgten. Das Klingen der Ambosse zeugte von noch immer tätigen Huf- und Waffenschmieden. Herdfeuer brannten überall, und die Kavallerie zerstreute sich, nach Wärme und heißem Essen verlangend, sobald ihre erschöpft dahintrottenden Tiere versorgt waren. Überraschenderweise ritt Bryne weiterhin an Egwenes Seite, nachdem sie ihn entlassen hatte.
»Wenn Ihr erlaubt, Mutter«, sagte er, »möchte ich Euch noch eine Weile begleiten.« Sheriam wandte sich tatsächlich im Sattel um und sah erstaunt zurück. Siuan blickte ebenfalls erstaunt strikt geradeaus, als wage sie nicht, ihn ihre plötzlich geweiteten Augen sehen zu lassen.
Was glaubte er, was er tun konnte? Als ihr Leibwächter fungieren? Gegen Schwestern? Dieser Bursche mit der tropfenden Nase würde genügen. Einfach offenbaren, wie vollständig er auf ihrer Seite stand? Morgen war dafür noch genug Zeit, wenn heute abend alles gut verlief. Diese Offenbarung könnte den Saal jetzt leicht in Richtungen vorpreschen lassen, die sie kaum zu erwägen wagte.
»Der heutige Abend ist Aes Sedai-Angelegenheiten vorbehalten«, belehrte sie ihn entschlossen. Aber er hatte, so töricht die Vorstellung auch war, angeboten, sein Leben für sie zu riskieren. Die Gründe dafür lagen im dunkeln - wer konnte schon sagen,
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