Neue Bündnisse
Autorität und ohne Freundin unter den Schwestern außer Siuan, soweit er wußte? Konnte die Antwort auf alle diese Fragen einfach sein, daß ... er Siuan liebte? Nein. Die meisten Männer waren leichtfertig und unbeständig, aber das war wirklich widersinnig! Dennoch äußerte sie diese Vermutung, wenn auch nur, um Siuan zu belustigen. Vielleicht munterte es sie ein wenig auf.
Siuan schnaubte ungläubig. Es wirkte bei diesem hübschen Gesicht seltsam, aber niemand konnte so ausdrucksvoll schnauben wie sie. »Er ist keineswegs ein Dummkopf«, sagte sie trocken. »Tatsächlich trägt er einen klugen Kopf auf seinen Schultern. Er denkt meistens wie eine Frau.«
»Ich habe Euch noch immer nicht sagen hören, daß Ihr wieder zur Vernunft kommen wollt, Siuan«, beharrte Egwene. »Ihr müßt es auf die eine oder andere Weise tun.«
»Nun, natürlich werde ich das. Ich weiß nicht, was mit mir los war. Es ist nicht so, als hätte ich noch niemals zuvor einen Mann geküßt.« Plötzlich verengte sie ihre Augen, als erwarte sie, daß Egwene das bezweifelte. »Ich habe nicht mein ganzes Leben in der Burg verbracht. Es ist lächerlich! Über Männer zu plaudern, ausgerechnet heute abend!« Sie spähte in ihre Schale und schien zum erstenmal zu bemerken, daß sie Essen enthielt. Sie nahm einen Löffelvoll und deutete dann auf Egwene. »Ihr müßt jetzt mehr denn je auf Eure Zeiteinteilung achten. Wenn Romanda oder Lelaine das Ruder ergreifen, werdet Ihr niemals wieder selbst darüber entscheiden.«
Ob lächerlich oder nicht - etwas hatte Siuans Appetit mit Sicherheit wiederhergestellt. Sie aß ihren Eintopf schneller auf als Egwene ihren, und kein Krümel des Brötchens entging ihr. Egwene merkte, daß sie ihre leere Schale sogar noch mit den Fingern ausgewischt hatte. Natürlich konnte sie nur noch die letzten Reste Linsen davon ablecken.
Es war eigentlich nicht mehr nötig, die Geschehnisse des heutigen Abends noch einmal zu besprechen. Sie hatten so viele Male ersonnen und wiederholt verbessert, was Egwene wann sagen sollte, daß sie überrascht war, daß sie nicht davon geträumt hatte. Sie hätte ihren Teil gewiß im Schlaf beherrscht. Siuan beharrte dennoch darauf und näherte sich sehr weit dem Punkt, an dem Egwene sie würde zurechtweisen müssen, weil sie alles immer und immer wieder durchging und erneut Möglichkeiten aufbrachte, die sie schon hundertmal zuvor besprochen hatten. Seltsamerweise war Siuan jetzt sehr guter Stimmung. Sie versuchte sich sogar in ein wenig Humor, was für sie in letzter Zeit ungewöhnlich geworden war, obwohl einiges davon Galgenhumor war.
»Ihr wißt, daß Romanda einst selbst die Amyrlin werden wollte«, sagte sie. »Ich habe gehört, daß statt dessen Tamra Stola und Stab erhielt und sie sich deshalb in den Ruhestand zurückzog. Ich würde alles darauf verwetten, daß ihre Augen doppelt so stark hervortreten wie Lelaines.«
Und später sagte sie: »Ich wünschte, ich könnte dort sein, um sie wehklagen zu hören. Jemand wird es bald tun müssen, und es wäre mir lieber, wenn es sie wären anstatt wir. Ich konnte noch nie gut singen.« Sie sang tatsächlich ein Bruchstück eines Liedes über jemanden, der über den Fluß einen Jungen erblickte, aber kein Boot besaß. Sie hatte recht - ihre Stimme war bestenfalls als nett zu bezeichnen, aber sie konnte keine Melodie halten.
Und noch später: »Es ist gut, daß ich jetzt solch ein unverbrauchtes Gesicht habe. Wenn dies böse endet, werden sie uns beide wie Puppen anziehen und uns auf ein Regal setzen, um uns zu bewundern. Natürlich könnten wir statt dessen auch ›Unfälle‹ erleiden. Puppen zerbrechen. Gareth Bryne wird sich jemand anderen suchen müssen, den er bevormunden kann.« Sie lachte wahrhaftig darüber.
Egwene empfand große Erleichterung, als sich der Zelteingang kurzzeitig nach innen wölbte und jemanden ankündigte, der genug wußte, um dort nicht einzutreten, wo ein Schutz bestand. Sie wollte wirklich nicht hören, wohin Siuans Humor noch führen würde!
Sobald Egwene den Schutz losließ, trat Sheriam ein, begleitet von einem Luftzug, der zehnmal kälter schien als zuvor. »Es ist an der Zeit, Mutter. Alles ist bereit.« Ihre schrägstehenden Augen waren geweitet, und sie leckte sich mit der Zungenspitze über die Lippen.
Siuan erhob sich und nahm ihren Umhang von Egwenes Feldbett, hielt dann aber in ihrer Bewegung, ihn sich um die Schultern zu legen, inne. »Ich habe die Drachenfinger bereits im Dunkeln
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