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Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition)

Titel: Neun Zehntel (Deutsch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meira Pentermann
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luxuriöser Häuser, die sich auf landschaftlich wunderbar gestalteten und mehrere Tausend Quadratmeter großen Grundstücken befanden. Es kam Leonard irgendwie seltsam vor. Diese hässliche, steingraue Wohnsiedlung schien fehl am Platz. Alles andere in seinem Traum war eine freundlichere, hübschere Version von dem, was er aus seinem realen Leben kannte. Das gemütliche Zuhause, die wunderschöne Frau, die respektablen (wenn auch nicht gleichermaßen wohlerzogenen) Kinder.
    „Was ist mit den Kindern?“, fragte Leonard, als ihm auffiel, dass sie sich nun einige Häuser von ihnen entfernt hatten und es sehr früh am Morgen war.
    „Denen geht’s gut. Du bist es, der mir Sorgen macht.“ Sie griff nach seiner Hand. „Du verhältst dich so eigenartig in letzter Zeit“, flüsterte sie. „Dein Gedächtnis lässt nach. Du denkst, dass du träumst. Das ist seltsam, Leonard.“
    Er antwortete in einer normalen Lautstärke. „Ich bin nur—“
    „Pssst. Nicht so laut. Nur noch ein paar Schritte.“
    Alina sah nervös über ihre Schulter, bevor sie Leonard durch die Büsche auf einen offenen Platz drängte. Sie zog ihn einige Meter von den Büschen weg und blieb ungefähr in der Mitte des Grüngürtels im Schatten eines riesigen Baumes stehen. Sie setzte sich hin und tätschelte den Rasen neben sich.
    „Okay“, sagte sie, „erzähl mir, was los ist.“ Nun flüsterte sie nicht mehr, aber sie sprach noch immer mit leiser und gedämpfter Stimme. „Bist du Teil irgendeines menschlichen Experiments?“ Sie suchte seinen Kopf nach Narben ab.
    Er zog ihre Hand an seine Brust und lehnte sich nach vorne, um sie zu küssen.
    „Leonard“, sagte sie verärgert. „Ich finde es toll, dass du so angetan von mir bist. Die letzten paar Jahre hast du mich ja kaum wahrgenommen…, aber ich fang wirklich an, mir Sorgen um dich zu machen.“
    Er vernahm Traum–Alinas Worte kaum. Ihn übermannte eine überwältigende Leere. In seinem Bauch verspürte er ein seltsames Gefühl, das sich immer weiter durch seinen Körper zog, bis seine Kopfhaut begann zu kribbeln. „Es tut mir so leid“, sagte er mit leiser, trauriger Stimme. „Ich habe die falschen Entscheidungen getroffen. Ich hätte meinen sinnlosen Kreuzzug aufgeben sollen. Ich hätte dich nicht gehen lassen dürfen.“
    Alinas Augen füllten sich mit Tränen. „Ich bin doch hier, Leonard.“ Ihre Stimme zitterte, während sie sich zu ihm beugte und die freie Hand vor den Mund nahm, um ihr leichtes Schluchzen zu verbergen. „Aber du musst mir erzählen, was los ist. Zu was für einem sinnlosen Kreuzzug zwingen sie dich? Bitte sag mir, dass sie dir nichts angetan haben.“
    Ein frischer Windzug wehte über sein Gesicht. Plötzlich merkte er, wie warm Alinas Hand und wie kühl das nasse Gras war. Er spürte, wie die Feuchtigkeit durch seine Jeans drang. Das Gefühl war irritierend und doch sehr real.
    „Ich träume nicht, oder?“
    Alina schüttelte den Kopf, ließ ihre Hand aus seiner gleiten und zog ihre Jacke am Hals enger.
    „Was ist hier nur los?“, flüsterte Leonard.
    „Das würde ich auch gerne wissen.“
    Leonard ließ die Ereignisse, die sich zugetragen hatten, nachdem er die qualmende Zeitmaschine verlassen hatte, noch einmal Revue passieren. Seitdem er in dem Haus aufgewacht war, hatte es sein Aussehen überhaupt nicht verändert oder sich unaufhörlich in verschiedene Häuser verwandelt, so wie es sonst für einen Traum üblich wäre. Die Figuren, deutlich ausgearbeitet und realistisch, vermischten sich weder miteinander, noch verblassten sie in irgendeiner Form während des Abends. Beinahe jedes physische Detail blieb so, wie er es zu Beginn wahrgenommen hatte. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
    „Ich habe mein Leben nicht vergeudet“, sagte er. „Ich habe den Unfall nicht verursacht. Ich wurde nicht besessen von der Idee mit der Zeitmaschine—“
    „Eine Zeitmaschine?“, flüsterte Alina verärgert. „Ist es das, was diese Idioten beim ABV versuchen zu bauen?“
    „Nicht diese Idioten. Dieser Idiot hier.“ Er zeigte auf sich selbst. Dann umschloss er ihre Hände mit seinen. „Und ich habe dich nicht verloren. Du hast mich nicht verlassen.“
    „Natürlich werde ich dich nicht verlassen.“ Sie neigte den Kopf zur Seite und starrte ihn an. „Ich will nur sicher gehen, dass mit dir alles okay ist. Du hast mir heute Abend schreckliche Angst eingejagt. Natalia auch, befürchte ich.“
    Leonard redete weiter vor sich hin, als wäre sie

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