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Neva

Neva

Titel: Neva Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Grant
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darauf, und meine Augen passen sich langsam an. Formen erscheinen aus dem Dunkel. Ich trete neben meinen Lotsen, und wir gehen eine Weile nebeneinander. »Von hier aus schaffst du den Rest allein«, sagt er, als der Ausgang deutlich zu erkennen ist. Ich muss entsetzt aussehen, denn er tätschelt mir aufmunternd den Rücken. »Das Schlimmste ist vorbei. Draußen steht ein Transporter.«
    Unwillkürlich denke ich an die Regierungstransporter, mit denen Sanna und die anderen Mädchen zum Frauen-Motivationszentrum gebracht wurden. Erneut durchzuckt mich die Angst von Kopf bis Fuß.
    »Du musst jetzt gehen.« Er stupst mich voran.
    »Und wie weiter?«
    »Ich kenne nur diesen Teil des Wegs. Meine Aufgabe war es, dich bis hierhin zu bringen, und das habe ich getan.«
    »Okay.« Die Wärme verlässt meinen Körper.
    Er spürt meine Unsicherheit. »Ich kann dich auch zurückbringen, wenn du deine Meinung geändert hast«, bietet er mir an.
    »Nein.« Ich räuspere mich und versuche, meiner Stimme etwas mehr Festigkeit zu verleihen. Dennoch schwankt sie ein wenig. »Nein. Ich will gehen. Danke.«
    »Viel Glück.« Er schüttelt mir die Hand und kehrt in den Tunnel zurück.
    Ich trete hinaus ins Freie und atme die kühle Nachtluft ein. Eine Frau steht zwischen mir und dem Van. Sie sieht mich nicht direkt an, als sie die Tür zur Ladefläche öffnet.
    Ich zögere. »Und was geschieht jetzt?«
    »Ich bringe dich zur Grenze.« Mit dem Kopf deutet sie auf den Transporter und fordert mich so auf, einzusteigen.
    Ich rege mich nicht. Ich will nicht mehr einfach nur folgen. »Und was dann?«
    »An der Grenze wartest du auf ein Signal. Die Protektosphäre wird renoviert. Die einzelnen Abschnitte werden abgeschaltet, wenn die Bauteile erneuert werden. Du hast einige wenige Stunden Zeit – wie viele es genau sind, weiß ich nicht –, um es durch die Tunnel zu schaffen, bevor die Protektosphäre wieder unter Strom gesetzt wird.« Es ist offenkundig, dass sie diese Erklärung schon öfter abgegeben hat. »Wir fahren auf abgelegenen Straßen zur Grenze und können den Grenzposten weitgehend ausweichen, aber die Regierung hat die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Ich kann keine Garantie für deine Sicherheit geben.«
    Ich nicke.
    »Wir müssen jetzt los«, sagt sie in einem Tonfall, der keine weiteren Fragen zulässt. Ich steige in den Transporter und stelle erleichtert fest, dass ich nicht allein bin. Ich kann nicht viel erkennen, aber ich glaube, sieben Leute zu zählen, die im Halbkreis an den Transporterwänden sitzen. Die Bänke sind herausgenommen worden, und eine Holzwand trennt die Fahrerkabine ab. Die zwei Fenster in der Doppeltür zur Ladefläche sind geschwärzt worden. Die Fahrerin schließt sie hinter mir.
    Das war es dann also. Ich verlasse Heimatland. Bald werde ich wissen, was außerhalb der Protektosphäre ist. Ein Leben außerhalb … Es kommt mir ein bisschen vor, als würde ich in Erfahrung bringen, was nach dem Tod mit uns passiert. Ich hoffe inständig, dass ich darüber heute nichts herausfinde. Ich versuche, meine Gedanken auf einen neuen Anfang auszurichten, nicht auf ein Ende.
    Der Transporter vibriert ganz leicht. Mit jedem Schlagloch, durch das wir fahren, steigert sich meine Klaustrophobie. Ich höre die anderen Leute atmen. Sie verbrauchen den gesamten Sauerstoff in diesem begrenzten Raum und lassen mir nichts übrig. Ich will an meine Zukunft denken, doch ich kann Großmamas Gesicht nicht heraufbeschwören. Plötzlich weiß ich nicht mehr, wie sie aussieht. Also versuche ich, mir ein grenzenloses Meer und einen offenen Himmel vorzustellen, aber ich habe keine Ahnung, wie diese Art von Freiheit aussieht.
    Durch abgesprungene Stellen in den geschwärzten Scheiben dringt ein wenig Licht ein. Meine Augen gewöhnen sich an das Dunkel, und langsam erkenne ich Umrisse. Und plötzlich empfinde ich den Verlust als niederschmetternd: Nicht nur, dass ich Familie und Freunde verlasse, ich habe auch meine Unschuld und mein Vertrauen verloren – Braydon hat mir beides gestohlen. Ich taste herum und berühre die Hand der Person neben mir. Es ist eine kleine Hand – die eines Kindes. Ich lächle es an, obwohl ich weiß, dass es mich nicht sieht. Das Mädchen bewegt sich, und man hört im ganzen Wagen ein Rascheln, dann das leise Geräusch von Händen, die nach einander greifen.
    Nach einer Zeitspanne, die ich unmöglich einschätzen kann, gerät der Van plötzlich ins Schlingern. Wir lassen die Hände los und

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