New York - MERIAN Portraet
New-York-Trilogie,
Sophie
nennen.
Die Gemeinsamkeiten in der Lebensgeschichte und den Romanen der beiden Schriftsteller sind bei näherem Hinsehen spannend und frappierend. Denn auch Paul Austers inzwischen gut 30 Romane, Erzählungen und Drehbücher spielen in New York. Die Protagonisten seiner existenzialistisch inspirierten Werke sind Schriftsteller wie er selbst und unermüdlich unterwegs auf der Suche nach Sinn und Identität. Biographie und Fiktion verschmelzen bis zur Unkenntlichkeit.
Der Hauptakteur seines 1985 erschienenen Romans »Stadt aus Glas«, dem ersten Buch seiner berühmten New-York-Trilogie, ist der nach einem Schicksalsschlag gebrochene Schriftsteller Quinn. Durch einen mysteriösen Telefonanruf erhält er den Auftrag, das Leben eines anderen zu observieren und gerät dadurch in ein verwirrendes Versteckspiel, das in verstörenden Grenzgängen durch ein penibel vermessenes New Yorker Straßennetz kulminiert. Virtuos spielt Auster dabei mit seinen Figuren, deren Doppelgängern, Künstlernamen, Pseudonymen und Identitäten.
Quinn übernimmt seine kriminalistischen Ermittlungen unter dem Namen Paul Auster und lernt dabei nicht nur einen Autor namens Paul Auster kennen, sondern auch dessen Frau Siri Hustvedt: »Er blickte auf und sah zuerst die Frau. Dieser eine kurze Augenblick reichte aus, um ihn innerlich aufzuwühlen. Sie war eine große schlanke Blondine, strahlend schön, von einer Energie und einem Glück, die alles um sie herum unsichtbar zu machen schienen.« Eine treffende Beschreibung der echten Siri Hustvedt und eine literarische Liebeserklärung par excellence. Kein Wunder, dass die beiden Schriftsteller in
Deutschland
und
Frankreich
, wo ihre Romane populärer sind als in Amerika, als das literarische Traumpaar von New York gelten.
In Austers Trilogie spielt die Stadt am Hudson nicht nur im Titel eine zentrale Rolle. New York definiert geographisch wie existenziell die Schicksale seiner Romanfiguren. Für sein Alter Ego Quinn ist New York »ein unerschöpflicher Raum, ein Labyrinth von endlosen Schritten, und so weit er auch ging, so gut er seine Viertel und Straßen auch kennenlernte, es hinterließ in ihm immer das Gefühl, verloren zu sein … New York war das Nirgendwo, das er um sich aufgebaut hatte, und es war ihm bewusst, dass er nicht die Absicht hatte, es jemals wieder zu verlassen.«
Nach ausholenden Parcours quer durch
Manhattan
– eine Route, die man auf einem Stadtplan nachzeichnen und in einem halben Tag ablaufen kann – lässt sich Quinn auf einer Bank vor dem
United Nations Headquarter
41 ( ▶ J 5 / 6 ) nieder und notiert, was er unterwegs gesehen hat: einen blinden Bleistiftverkäufer, einen alten, Stepp tanzenden Schwarzen, Saxophonisten, Gitarristen, Geiger und einen Klarinettisten mit zwei aufziehbaren Affen, »Verrückte, die sich in ihren Wahnsinn eingeschlossen haben und mit sich selbst reden, murmeln, schreien, fluchen, stöhnen« , Menschen, die sich selbst Geschichten erzählen, als hörte ihnen jemand zu.
»Da sind die Frauen mit ihren Einkaufstüten und die Männer mit ihren Pappkartons, die ihre Habseligkeiten von einem Ort zum anderen tragen, immer unterwegs, als ob es von Bedeutung wäre, wo sie sind. Der Mann, der sich in eine amerikanische Flagge eingehüllt hat. Die Frau mit einer Halloween-Maske vor dem Gesicht.«
Mit der Schilderung dieser Gescheiterten spiegelt die »Stadt aus Glas« die Schattenseiten von New York. Als der Roman 1987 erscheint, steht die Stadt kurz vor dem Kollaps, in den Straßen sind Armut und Verwahrlosung unübersehbar.
IRRWEGE DURCH EINE »ZERBROCHENE« STADT
Die soziale Schere klafft damals wesentlich augenfälliger auseinander als heute. »Die Zerbrochenheit ist allgegenwärtig, die Unordnung universal … Die zerbrochenen Menschen, die zerbrochenen Dinge, die zerbrochenen Gedanken.«
Am Ende dieser, wie der Autor selbst sagt, »undurchsichtigen Geschichte« meldet sich deren Schöpfer, der echte Paul Auster, zu Wort, um seine Leser ein letztes Mal in die Irre zu führen. »Ich kehrte im Februar von meiner Afrikareise zurück, wenige Stunden bevor ein Schneesturm New York heimsuchte. Ich rief an diesem Abend meinen Freund Auster an, und er bat mich eindringlich, ihn aufzusuchen, so rasch ich konnte.«
Eine andere Art von literarischem Versteckspiel spielt Siri Hustvedt. Ihre »unsichtbare Frau« Iris schlüpft, zunächst spielerisch, dann immer zwanghafter – in die Rolle eines Mannes. An Halloween, den
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