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Nibelungen 01 - Der Rabengott

Nibelungen 01 - Der Rabengott

Titel: Nibelungen 01 - Der Rabengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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klopfte mit der Spitze auf den Boden. Sie klirrte leise, wo sie auf Fels traf, schwieg, wenn sie gegen weitere Leichen stieß. Der Stein war an manchen Stellen feucht und rutschig, mehrfach verlor Hagen fast seinen Halt. Auf allen vieren kletterte er über reglose, verrenkte Körper, ohne sicher zu sein, ob es nicht immer wieder dieselben waren und er sich im Kreis bewegte. Aber, nein, das Gelände war leicht abschüssig, und irgendwann fand er auch den Pfad, dem er und die anderen gefolgt waren, geradewegs in die Falle ihrer Feinde; er erkannte ihn an der seichten Grasböschung, die ihn zu beiden Seiten begrenzte.
    Hagen forschte in der Schwärze nach einem Hoffnungsschimmer – Schimmer im buchstäblichen Sinne –, doch da war nichts als absolute Dunkelheit. Unvermittelt wurde ihm klar, daß er nicht einmal wußte, ob es noch Tag oder schon tiefste Nacht war.
    Er folgte dem Weg auf Händen und Knien, das Schwert weit vorgestreckt. Immer noch stieß er auf weitere Leichen. Obgleich er sie nicht zählte, war er doch sicher, daß es mehr waren als nur jene Männer, mit denen er die Felsen erklommen hatte. Die beiden Gruppen mußten sich gegenseitig aufgerieben haben. Die Erkenntnis verschaffte ihm keine Befriedigung, nicht einmal bittere Genugtuung. Er hatte ausreichend mit sich selbst zu tun, um nur einen Gedanken an den Sinn der Schlacht zu verschwenden, an Ziele, die nie seine eigenen gewesen waren. Er dachte wieder an das Angebot seines Bruders, und zum ersten Mal wünschte er sich, er hätte es angenommen. Jetzt war es zu spät dazu. Blind war er für niemanden mehr von Nutzen. Ein lästiger Krüppel, nur ein weiterer Bettler am Wegesrand. Er schwor sich, daß es soweit nicht mit ihm kommen würde. Niemals.
    Gerade schob er sich über einen weiteren Leichnam, als eine helle Stimme sagte:
    »Sie kommen.«
    Hagen erstarrte in der Bewegung. Riß dann das Schwert hoch und hielt es aufrecht vor sein Gesicht.
    Links von ihm ertönte ein leises Rascheln. Füße, die von irgendwoher auf den Boden sprangen, ganz leicht, wie auf Zehenspitzen.
    »Nimm das Schwert herunter«, flüsterte die Stimme. »Du wirst uns noch beide damit verletzen.« Es war ein Mädchen, sehr jung.
    »Wer bist du?« Es fiel ihm schwer, seine Panik zu unterdrücken. Er war hilflos, ausgeliefert. Einem Kind.
    »Jemand, der dich retten will.« Sie sagte das sehr leise, sehr sanft. Hagen spürte, wie er zu dieser Stimme Vertrauen faßte. Früher hatte er niemandem vertraut. Früher: bis vor wenigen Momenten.
    »Vor wem?« Seine Stimme klang nicht wie seine eigene. Schnarrend, krächzend. Elend.
    Etwas berührte ihn an der Schulter, ganz leicht nur. Er zuckte zurück, fuchtelte mit dem Schwert.
    »Laß das«, sagte das Mädchen erneut. »Ich will dir helfen.«
    Ich brauche deine Hilfe nicht, wollte er entgegnen, aber das war so lächerlich, daß er die Worte verschluckte.
    » Wer kommt?« fragte er statt dessen. »Du hast gesagt, jemand –«
    »Deine Feinde«, fiel sie ihm ins Wort. »Sie kommen den Weg herauf und töten alle, die noch am Leben sind. Die Verletzten, die Erschöpften.« Sie legte ihm abermals die Hand auf die Schulter, und diesmal wehrte er sich nicht. »Die Blinden.«
    Er horchte und erkannte, daß sie recht hatte. Aus der Ferne erklangen scharrende Schritte, leise Stimmen. Das Stöhnen von Sterbenden. Stahl, der auf Leiber einhieb.
    »Wie nahe sind sie?«
    »Viel zu nahe, um noch mehr Zeit mit Gerede zu vertun.«
    Schmale, erstaunlich kräftige Hände packten ihn unter den Achseln, halfen ihm beim Aufstehen. Er stützte sich auf das Schwert wie auf einen Krückstock.
    »Komm!« Sie nahm ihn bei der Hand, zog ihn vorsichtig mit sich. Ihre Finger waren sehr dünn, sehr verletzlich. Hin und wieder zischte sie ihm eine Warnung zu; dann hob er die Füße, um nicht über Dinge zu stolpern, die sich ein ums andere Mal als Leichen erwiesen.
    Sie hatten den Weg verlassen. Gelegentlich schlugen ihm Äste ins Gesicht, doch so lange sie seine Augen nicht berührten, vermied er jede Klage. Das Gelände führte hangaufwärts, sie stiegen also höher in die Berge. Er überlegte, ob er das Mädchen nach ihrem Ziel fragen sollte, nahm aber an, daß es besser sei zu schweigen, solange die Feinde in der Nähe waren.
    Irgendwann – er hatte festgestellt, daß er mit seinem Augenlicht auch jedes Gefühl für die Zeit verloren hatte – hielt das Mädchen an. »Ich glaube, hier sind wir sicher.«
    »Wo sind wir?«
    »Weiter oben in den Felsen.« Er

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