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Nibelungen 01 - Der Rabengott

Nibelungen 01 - Der Rabengott

Titel: Nibelungen 01 - Der Rabengott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Schultern?«
    »Laß deine Wut nicht an mir aus, Hagen von Tronje«, gab sie erbost zurück und seufzte. »Wir werden natürlich auf einem Pferd reiten.«
    Das machte ihn stutzig. Er hatte geglaubt, seine Ohren seien gut genug, um zu bemerken, wenn ein Pferd in der Nähe war. Das Schnauben, das Klappern der Hufe…
    Doch da war noch etwas, das ihn alarmierte:
    »Woher kennst du meinen Namen?«
    Sie schwieg einen Augenblick, womöglich, weil sie erkannt hatte, daß sie zuviel preisgegeben hatte.
    Dann aber sagte sie nur leise: »Das Pferd steht draußen vor der Höhle.« Kleiderrascheln verriet, daß sie aufstand.
    »Nimmermehr!« fuhr er auf. Es war eigenartig, diesen Namen auszusprechen. »Woher weißt du, wie ich heiße? Wir haben nie darüber gesprochen.«
    Sie klang weit entfernt, als sie sagte: »Du hast im Schlaf geredet.«
    »Ist das wahr?«
    »Warum sollte ich dich belügen?«
    Er hörte am schwindenden Hall ihrer Schritte, daß sie die Höhle verlassen hatte. Wenig später kehrte sie zurück, und aus der Ferne erklangen genau jene Laute, die er eben noch vermißt hatte: das Schnauben eines Roßes, der harte Schlag seiner Hufe auf Stein. Im Hintergrund kreischten die Raben.
    Mit einemmal war das Mädchen wieder neben ihm und ergriff seine Hand. »Komm mit.«
    »Wohin reiten wir?« Er fühlte sich wie ein Greis, so abhängig war er von ihrem Wohlwollen – sogar, was die Aufrichtigkeit ihrer Antworten anging.
    »Ich erklär’s dir, wenn wir von hier fort sind.«
    Stolpernd folgte er ihr über die Geröllhalde, die vom Grund der Höhle hinauf zum Ausgang führte. »Warum die plötzliche Eile?«
    »Die Gegend ist immer noch voller Krieger. Wenn wir hierbleiben, werden sie uns finden.«
    Es gab wenig, das er dem entgegensetzen konnte. Wieder mußte er ihr einfach glauben.
    Es war kälter geworden, als sie ins Freie traten. Der Vortag und sogar die Nacht waren einigermaßen warm gewesen. Jetzt aber drang die Luft beim Atemholen empfindlich kühl in Hals und Nase.
    Das Pferd war groß; das spürte er, als er seinen Rücken berührte, ein hohes, kräftiges Tier.
    »Ein Schlachtroß?« fragte er. Es hatte einen einfachen Sattel ohne Verzierungen, doch an der Seite hingen Gurte für Schwertscheide und andere Waffen.
    »Kann sein«, erwiderte sie nur. »Ich habe ihn schon länger.«
    »Woher hast du ihn?«
    »Es ist mir zugelaufen, genau wie du. Und ich kenne auch seinen Namen.« Sie kicherte; es klang hell und ehrlich. »Er heißt Paladin.«
    Zugelaufen? Das Streitroß eines Kriegers? Noch eine Merkwürdigkeit. Aber er gestand sich ein, daß alles, was ihm an Nimmermehr seltsam vorkam, ebensogut eine Folge von Zufällen sein mochte. Zudem, so sagte er sich, sorgte seine Blindheit dafür, daß er sich über Kleinigkeiten viel mehr Gedanken machte als früher. Er würde sich noch zum Grübler entwickeln.
    »Woher kennst du seinen Namen?« fragte er, dennoch ein wenig mißtrauisch.
    Nimmermehr lachte auf. »Ich habe ihn ihm gegeben, Dummkopf.«
    Sie sagte das so freundlich, daß er ihr nicht böse sein konnte. Hagen der Dummkopf – vielleicht war es ja genau das, was sie aus ihm gemacht hatte; nein, er war ungerecht. Die Blindheit hatte ihm das angetan, nicht das Mädchen.
    »Warte, ich helfe dir in den Sattel.«
    Unwirsch lehnte er ab. »Das kann ich allein.«
    Sofort zog sie ihre Hände zurück und ließ ihm seinen Willen. Hagen ertastete den Sattelknauf und zog sich nach oben. Er spürte, wie einige der kleineren Wunden abermals weh taten, wahrscheinlich sogar aufbrachen, doch der Triumph, wenigstens diese Hürde ohne Hilfe bewältigt zu haben, machte den Schmerz bedeutungslos.
    Nimmermehr knotete ihr Bündel am Sattel fest und reichte ihm seinen Helm: »Setz ihn auf.« Dann, ehe er sich versah, saß sie hinter ihm, legte die Arme um seinen Oberkörper und schmiegte sich eng an seinen Rücken.
    »Und nun?« Das Gefühl, wieder im Sattel zu sitzen, festigte ihn ein wenig.
    »Gib mir die Zügel«, sagte sie.
    Er tastete nach dem Lederband und drückte es ihr widerwillig in die Hände. Es gefiel ihm nicht, daß sie den Hengst lenken würde, aber sie hatte natürlich recht; er allein hätte sich nur auf den Instinkt des Tieres verlassen können, um nicht samt Pferd und Mädchen in der nächstbesten Felsspalte zu verschwinden.
    Das Tier – Paladin hatte sie es genannt – setzte sich in Bewegung. Loses Geröll prasselte unter seinen Hufen talwärts. Sie waren noch lange nicht in Sicherheit.
    Der Ritt ging bergauf.

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