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Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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nicht länger zurückhalten: »Wenn du den Dichtermet wirklich gestohlen hast, sag, wo hast du ihn dann? Haben ihn dir die Dorfbewohner mitsamt deinen übrigen Sachen abgenommen?«
    Ein listiges Grinsen zuckte über seine Züge. »Du hältst mich doch nicht etwa für so einfältig, ihnen einen solchen Schatz zu überlassen, oder?«
    Aber Kriemhild dachte triumphierend: Aus dieser Schlinge ziehst du deinen Kopf nicht so geschwind.
    Jodokus trieb sein Pferd in den Schatten der Bäume am Straßenrand, schaute sich sichernd nach allen Seiten um und zügelte sein Pferd. »Du glaubst mir noch immer nicht? Na schön, dann sieh her.«
    Vor Kriemhilds fassungslosen Augen streifte er sein Wams über den Kopf und präsentierte ihr seinen nackten Oberkörper. Er war nicht allzu kräftig, eher drahtig als muskulös. Mehrere Lederbänder lagen um seine Brust, und als er ihr lächelnd den Rücken zukehrte, erkannte sie, daß der vermeintliche Buckel nichts anderes war als ein lederner Weinschlauch, leicht gebogen und durch die festgezurrten Bänder der Form des Rückens angepaßt.
    Kriemhild konnte nicht anders: Sie lehnte sich im Sattel zurück und lachte, schüttelte sich aus vor schallendem Gelächter. »Du bist wirklich verrückt, Jodokus Meträuber!« Er fuhr herum und funkelte sie verwirrt und zornig an. Doch Kriemhild gelang es nicht, ihr Lachen zu bezwingen. Schniefend und mit Tränen in den Augen meinte sie: »Du behauptest, da drin sei der Dichtermet der Götter? Da drin ? Du liebe Zeit…«
    Wütend beeilte er sich, seinen Schatz wieder unter dem Wams in Sicherheit zu bringen. »Ich glaube nicht, daß ich deinen Hohn verdient habe!«
    Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. »Verzeih mir«, stammelte sie und kämpfte einen neuerlichen Heiterkeitsanfall nieder. »Ich wollte dich nicht verletzen, wirklich nicht. Aber wie soll ich dir glauben, daß du Wodans Met allen Ernstes in einem gewöhnlichen Lederschlauch spazierenträgst? Das ist einfach zu –« Und wieder gingen ihre Worte in unterdrücktem Gelächter unter.
    Jodokus lenkte sein Pferd vergrätzt zurück auf die Straße und setzte die Reise fort. »Lach du nur. Mach dich lustig über mich, solange es dir gefällt. Ich weiß sehr gut, was ich getan habe, und ich brauche keine Bestätigung von einer wie dir!«
    Sie hieb ihrem Gaul die Hacken in die Flanken, bis sie und der Sänger wieder auf einer Höhe ritten. »Hast du davon getrunken?« fragte sie und blickte ihn von der Seite an.
    Jodokus starrte beleidigt geradeaus. »Was geht dich das an?«
    »Du müßtest der beste Sänger weit und breit sein, hättest du den Dichtermet gekostet.«
    »Und?«
    »Beweis es mir!«
    Sein Kopf zuckte, als er sich zu ihr umwenden wollte; dann aber fiel ihm ein, daß er noch immer eingeschnappt war, und würdigte sie mit keinem Blick. »Ich habe es nicht nötig, dir irgend etwas zu beweisen.«
    »Natürlich nicht«, gab sie zurück. »Aber was für ein Sänger bist denn du, wenn du nicht singst, wenn dich eine Dame darum bittet?«
    »Ich werde nicht für jemanden singen, der meine Kunst nicht zu würdigen weiß.« Pikiert fügte er hinzu: »Außerdem, wer beweist mir denn, daß du eine Dame bist?«
    »Du selbst hast es gesagt.«
    »Auch Sänger täuschen sich.«
    So ging es weiter, den ganzen Vormittag über. Sie hänselten und stritten sich, mal verspielt, mal wirklich zornig, und doch gewann keiner die Oberhand. Jodokus sang keine einzige Zeile, und Kriemhild verriet ihm nichts von ihrer Herkunft. Am Ende, als beiden die Argumente ausgingen, kamen sie überein, daß ihr Streit im großen und ganzen ein Zeitvertreib gewesen sei und man ihn als solchen abtun solle; sie bekräftigten diesen Beschluß mit einem Handschlag und lautem Gelächter.
    Hätte jemand sie so dahinziehen sehen, kichernd und scherzend auf der Straße durchs Land der Toten, so hätte er sie vielleicht für verrückt gehalten – vielleicht aber auch nur für zwei junge Leute, die das Leid, das sie umgab, nicht wahrhaben wollten und mit ihren eigenen niederen Nöten überspielten.
    Wie hätte der Wanderer, der sie aus der Ferne sah, auch ahnen können, daß diese Nöte weder klein noch allein ihre eigenen waren?
     

     
    »Was ist das?«
    Jodokus Stimme riß Kriemhild aus dem eintönigen Trott, der sich von ihrem Pferd auf sie selbst übertragen hatte.
    »Hm?« Sie schaute sich verwundert um. »Was meinst du?«
    Der Junge zerrte an den Zügeln. »Horch! Hörst du es nicht?«
    Sie hatten die Straße eine

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