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Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungen 06 - Die Hexenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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seinen teuersten Gütern, bis…« Er verstummte, als sei er sich nicht mehr sicher, ob er wirklich fortfahren solle.
    »Bis?« fragte Kriemhild beharrlich.
    »Nun«, meinte Jodokus gepreßt, »bis ich ihn gestohlen habe.«
    Kriemhild lachte leise. »Natürlich.«
    Er wirkte weder beleidigt noch sonderlich überrascht. »Mir ist schon klar, daß du mir nicht glaubst.«
    »Dann sind wir uns einig.«
    »Willst du die Geschichte trotzdem hören?«
    »Haben wir etwas Besseres, um uns die Zeit zu vertreiben?« Bis Würzburg war es noch mindestens ein halber Tagesritt, und vorher mußten sie die Straße verlassen, um die Stadt zu umgehen. Von dort aus würden sie weitere zwei Tage brauchen, um Salomes Zopf zu erreichen. Mit ein paar Geschichten, mochten sie auch noch so versponnen sein, würde die Zeit ein wenig schneller vergehen.
    Jodokus schien die Tatsache, daß Kriemhild ihm kein Wort glaubte, nicht zu stören. Mit fester Stimme setzte er seine Erzählung fort. »Es tut nichts zur Sache, wie es mir gelang, an den Dichtermet heranzukommen. Es war nicht einfach, ganz bestimmt nicht, aber, um ehrlich zu sein, auch lange nicht so schwer, wie man vermuten möchte. Fest steht, ich brachte ihn an mich, und die Götter zürnen mir dafür.«
    »Warum schicken sie nicht einfach einen Blitz herab, der dich in Asche verwandelt?« fragte Kriemhild schmunzelnd. »Warum fahren nicht die Furien vom Himmel und reißen dich in Stücke?« Sie schüttelte lachend den Kopf. »Komm schon, Jodokus, du mußt überzeugender schwindeln, um mich hereinzulegen.«
    »Du bist Christin, nicht wahr?«
    »Sicher. Ganz Worms ist christlich.«
    »Dann glaubst du nicht an die alten Götter?«
    »Ich bin nicht so dumm, sie offen zu verleugnen, wenn du das meinst.« Sie legte den Kopf schräg und überdachte ihre Wortwahl. »Sagen wir, ich kann verstehen, warum die Menschen jahrtausendelang zu ihnen gebetet haben.«
    »Viele tun es auch heute noch.«
    »Natürlich. Sogar der König zeigt Verständnis dafür, weshalb also sollte ich es nicht tun?«
    »Dann weißt du auch, daß die Götter das Spiel lieben. Denn genau das tun sie: Sie spielen mit mir.« Er klang plötzlich gar nicht mehr so gelöst wie noch vor wenigen Augenblicken. »Sie wissen, daß ich es war, der ihnen den Dichtermet stahl, und sie lachen mich aus dafür. Ich, Jodokus der Sänger, bin der niederste ihrer Narren, der traurigste ihrer Scherzbolde und das einsamste unter den Wesen der Welt.«
    »Du rührst mich zu Tränen.« Was für ein Unfug, dachte sie bei sich. »Erzähl mir lieber vom Dichtermet.«
    »Das ist eine andere Geschichte.«
    »Jeder gute Erzähler schätzt die Geschichte in der Geschichte, sagt meine Mutter immer.« Die Erinnerung an die Königinmutter Ute tat weh; seit ihrer Flucht aus Worms hatte Kriemhild viel zu selten an sie gedacht, und jetzt fühlte sie sich mit einemmal schuldig deswegen. »Sie sagt, ein gutes Garn besteht wie ein guter Kuchen aus vielen Zutaten, und jede ist eine Geschichte in sich.«
    »Deine Mutter ist eine weise Frau.«
    »Das muß sie sein.«
    »Dann ist sie fraglos auch eine mächtige Frau.«
    Kriemhild lachte heiter. »Versuch nicht, mich zu überlisten, Jodokus-der-Dieb-und-Sänger!«
    Er schmunzelte und hob abwehrend beide Hände. Dabei ließ er versehentlich die Zügel los, und der lahme Ackergaul wäre beinahe wie ein Wildpferd mit ihm durchgegangen. Kriemhild lachte noch lauter über sein Ungeschick, und als Jodokus das Tier wieder im Griff hatte, fiel er mit in ihr Gelächter ein.
    Schließlich aber, nachdem beide sich beruhigt hatten, räusperte sich der Sänger und begann: »Einst schufen die Götter einen weisen Mann, den sie Kvasir nannten. Sie sandten ihn aus, um unter Menschen, Zwergen und Alben Vertrauen und Freundschaft zu säen. Bald schon liebte und schätzte man ihn überall auf der Welt. Allein zwei tückische Zwerge, Galar und Fjalar, wollten Kvasirs Weisheit für sich allein, und so lockten sie ihn in eine Falle, schlugen ihm den Kopf ab und fingen sein Blut in einem Kessel auf. Sie gaben Honig dazu und brauten daraus einen Met, wie es zuvor noch keinen gegeben hatte, denn wer davon trank, der wurde ein Dichter oder Weiser.
    Die beiden Zwerge taten vor den Göttern unschuldig, ja, sie berichteten Wodan, Kvasir sei an seiner eigenen Weisheit ertrunken. Der Göttervater mißtraute ihnen, ließ sie aber laufen. Da frohlockten die beiden üblen Kreaturen ob der gelungenen List und prahlten vor ihren finsteren Freunden mit

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