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Nibelungengold 02 - Das Drachenlied

Titel: Nibelungengold 02 - Das Drachenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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die Lippen, um seine Wirkung noch einmal zu erproben, als Mütterchen es ihm mit einer blitzschnellen Bewegung aus der Hand schlug. Es landete auf der weißen Brust des Toten.
    »Hör auf damit!« schrie sie ihn an. »Es ist wie ein Messerstich ins Ohr.«
    »Ein Messerstich?« stammelte Alberich verstört.
    »Ein magisches Horn«, sagte Löwenzahn und nahm es ehrfürchtig in beide Hände. »Sein Klang kann töten.«
    Alberich runzelte zweifelnd die Stirn. »Davon habe ich nichts bemerkt.«
    »Du hast es ja auch benutzt«, nörgelte Mütterchen und hielt sich den Schädel. »Solcherlei Magie wirkt nie auf den, der sie anwendet. Nur auf andere.«
    »Vielleicht war es nur ein schräger Ton…«, schlug der Zwerg mit schwacher Stimme vor.
    »Ein schräger Ton?« fragte Mütterchen und lachte bitter. »Nicht einmal du könntest so schräg spielen, daß man Schmerzen verspürt. Nicht solche Schmerzen.«
    »Wir sollten es mitnehmen«, sagte Löwenzahn und strich sachte über die Oberfläche des Horns. Es war so lang wie Alberichs Arm, gekrümmt und von gelblich-weißer Farbe.
    »Von welchem Tier soll das stammen?« fragte er verwundert.
    Alberich funkelte ihn an. »Von einem Hornochsen, vielleicht.«
    Die Bemerkung ging fehl, denn Löwenzahns Aufmerksamkeit war gänzlich auf das Instrument gerichtet.
    »Es sieht nicht aus wie ein gewöhnliches Horn«, sagte er. »Es ist zu glatt, fast wie…« Er zögerte.
    »Wie was?« wollte Alberich wissen.
    »Wie ein Zahn.«
    »Ein Zahn ?«
    Löwenzahn nickte. »Die Wände sind auch dicker als bei einem üblichen Horn. Jemand hat sich sehr viel Mühe gegeben, es auszuhöhlen.«
    Alberich hatte erhebliche Zweifel an dieser Vermutung. »Was für eine Bestie soll solche Zähne haben?«
    Mütterchen Mitternacht trat neben den Krieger und ließ ihre Finger über das Horn gleiten. »Darauf brauchst du doch nicht wirklich eine Antwort, oder?«
    Alberich sog scharf die Luft ein. »Meint ihr, jemand macht sich an unserem Drachen zu schaffen?«
    »Ich fürchte, dieser Jemand wird deine Meinung, daß es unser Drache ist, nicht teilen.« Mütterchen nahm das Horn aus Löwenzahns Pranken, stieg über den Toten hinweg und hielt es Alberich hin.
    »Nimm du es, wenn du wirklich damit umgehen kannst. Wer weiß, wofür es noch gut ist. Aber versprich mir, niemals, niemals wieder hineinzustoßen, ohne uns zu warnen!«
    Alberich brummte einen tonlosen Fluch, dann nahm er das Horn und hängte es sich an dem Lederband um den Hals. Er deutete auf den Toten. »Was machen wir mit ihm?«
    »Willst du ihn begraben?« fragte Mütterchen.
    Alberich grinste. »Ich dachte dabei an den Stärksten von uns dreien, den grausamsten und furchtlosesten Recken, den die Welt –«
    »Ja, ja«, knurrte Löwenzahn. »Ich begrabe ihn, wenn ihr unbedingt wollt.«
    Mütterchen schüttelte den Kopf. »Dazu bleibt keine Zeit. Die Räuberhorden werden schon zum Hohlen Berg ziehen. Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
    Da nahm der Riese den Leichnam wieder auf und trug ihn tiefer ins Unterholz. Er faltete die Hände des Toten auf dessen Brust, dann legte er ein paar Äste und Blattwedel über ihn. »Das ist das Würdevollste, was wir für dich tun können«, raunte er ihm zu, dann ging er zurück zu den anderen.
    Als sie ihren Weg fortsetzten, sagte Alberich: »Wir sollten ein wenig achtsamer sein. Wer weiß, ob derjenige, der den armen Kerl erschlagen hat, nicht ganz in unserer Nähe lauert.«
    Sie kamen überein, sich noch näher am Waldrand zu halten, obgleich allen klar war, daß ihnen die Bäume nur von einer Seite her Schutz boten, während sie von vorne, von hinten und vor allem vom anderen Ufer aus deutlich zu sehen sein mußten.
    »Habt ihr auch verstanden, daß er ›nicht weit‹ sagte?« fragte Mütterchen nach einer Weile.
    »Ja«, bestätigte Löwenzahn. »Hat er damit den Drachen gemeint?«
    »Das scheint mir naheliegend«, meinte Mütterchen Mitternacht.
    »Naheliegend, naheliegend«, äffte der Zwerg sie nach. »Naheliegend ist auch, daß wir aus dem Hinterhalt überfallen und niedergemacht werden.«
    Wütend wandte die Räuberin sich zu ihm um. »Wäre ich noch Wegelagerer, würde ich das in der Tat tun«, zischte sie giftig. »Dein goldener Helm und die goldene Brünne sind ja weithin zu erkennen.«
    Alberich faßte sich empört an den Helm. »Das ist Albengold, die Rüstung meiner Ahnen. Wie kannst du glauben, ich würde ohne sie in den Kampf ziehen?«
    »Etwas weniger Auffälliges bekäme uns wahrscheinlich

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