080 - Am Tor zur Hölle
Was noch keinem Menschen gelungen war, hatte Tucker Peckinpah geschafft. Er mußte dabei mehr Glück als Verstand gehabt haben.
Er war Asmodis' Gefangener gewesen, hatte länger als ein Jahr in der siebenten Hölle geschmachtet und dann seine Bewacher überlistet.
Er hatte selbst nicht geglaubt, daß es ihm möglich sein würde, durch eines der zahlreichen Höllentore, die ja bewacht wurden, zu entkommen, aber er hatte es geschafft.
Doch als gerettet durfte er sich deswegen noch lange nicht betrachten, denn Asmodis hetzte ihm Kanutto hinterher, und der Exekutor der Hölle hatte in Erfahrung gebracht, wo sich der Industrielle versteckt hatte.
Ein nervenzerfetzender Wettlauf war die Folge gewesen. Die knapp sechzig Kilometer von London hierher hatte Kanutto mit einem Taxi zurückgelegt, das er gestohlen hatte. Das Fahrzeug stand nicht weit von hier im dichten Wald, und dahinter stand Tony Ballards Rover.
Tony, Roxane und Mr. Silver waren sofort ausgeschwärmt, und nun versuchte jeder für sich, Tucker Peckinpah beizustehen und Kanutto den Garaus zu machen.
Mit federnden Schritten erreichte Roxane die Jagdhütte.
»Hütte« war vielleicht ein wenig untertrieben, denn es handelte sich um ein schönes gemauertes Haus, in dem eine mehrköpfige Familie samt Großeltern Platz gehabt hätte.
Die Hexe aus dem Jenseits lehnte sich kurz an die Fassade. Sie schloß die grünen, leicht schräggestellten Augen und lauschte. Nichts war zu hören - außer den Geräuschen, die die Natur hervorbrachte.
Roxane fragte sich, wo sich Kanutto befand. Noch hier draußen oder bereits drinnen? Und hatten es Tony Ballard oder Mr. Silver vor ihr geschafft, die Jagdhütte zu erreichen?
Die weiße Hexe schob sich auf die Haustür zu.
Die Tür war offen. Kein gutes Zeichen.
Roxane grub die regelmäßigen Zähne in ihre volle Unterlippe. Kanutto hatte in der kurzen Zeit, die er auf der Erde weilte, bereits genug Schaden angerichtet. Er mußte endlich zur Hölle fahren, und zwar für immer.
Die Hexe aus dem Jenseits legte ihre Hand auf die Tür und drückte sie vorsichtig zur Seite. Ständig mußte sie damit rechnen, daß Kanutto über sie herfiel.
Aber sie war auf der Hut. Es würde dem Exekutor der Hölle nicht leicht fallen, sie zu überrumpeln. Sowie sie ihn entdeckte, würde sie handeln.
Er verbarg sich in der harmlosen, unscheinbaren Gestalt eines Penners. Niemand sah diesem Mann seine Gefährlichkeit an, aber Roxane wußte es.
Nervös trat sie ein, und sie aktivierte ihren Abwehrzauber, um sich zu schützen. Gleichzeitig tasteten ihre Geistfühler in die Hütte hinein. Sie spürte nichts, aber das bedeutete nicht, daß Kanutto nicht anwesend war. Er konnte Gegenmaßnahmen getroffen haben, die es unmöglich machten, ihn auf diese Weise aufzuspüren.
Die Diele war klein. An der Garderobe hing ein anthrazitfarbener Regenmantel. Daneben gab es eine Tür. Roxane öffnete sie und blickte in eine saubere Küche.
Als sie die Tür wieder schließen wollte, vernahm sie ein Geräusch, das sie alarmierte.
War das Kanutto?
Rasch verschwand sie in der Küche und schloß die Tür bis auf einen kleinen Spalt.
***
Mr. Silver legte den längsten Weg zur Jagdhütte zurück. Er näherte sich dem einsamen Gebäude aus nördlicher Richtung und brannte darauf, Kanutto zu stellen.
Der Exekutor der Hölle bestand aus einem speziellen Teufelsglas. Asmodis hatte es geschaffen, und mit herkömmlichen Waffen war dieser Körper nicht zu zerstören. Wohl aber mit Silbermagie.
Ich werde dir deinen gläsernen Hals umdrehen! dachte der Ex-Dämon, während er geduckt auf die Jagdhütte zuschlich. Hier draußen ließ sich Kanutto nicht orten. Deshalb befürchtete Mr. Silver, daß sich der Exekutor der Hölle bereits in der Jagdhütte befand. Bei Tucker Peckinpah.
Das bedeutete, daß der Hüne mit den Silberhaaren sich beeilen mußte. Kanutto durfte dem Industriellen kein Haar krümmen. Mr. Silver war entschlossen, den Exekutor zum Kampf zu fordern, und er war zuversichtlich, daß er diesen Kampf als Sieger beenden würde.
Ich mache aus dir einen gläsernen Trümmerhaufen, grollte Mr. Silver im Geiste und betrat die Jagdhütte. Kaum war er drinnen, da gewahrte er jemandes Nähe, und er handelte sofort.
Er drückte die Tür auf, hinter der sich Roxane zurückgezogen hatte. Als er seine Freundin erkannte, entspannte er sich wieder.
»Wo ist Kanutto?« fragte er leise.
Roxane zuckte mit den Schultern. »Draußen konnte ich ihn nicht entdecken.«
»Ich
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