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Nibelungengold 02 - Das Drachenlied

Titel: Nibelungengold 02 - Das Drachenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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besser.«
    »Ihr Menschen habt keinen Sinn für Tradition.«
    »Tradition, die mich tötet, bedeutet mir allerdings wenig.«
    Wieder entspann sich ein heftiger Zank zwischen den beiden. Alberich wollte nicht von seiner Überzeugung weichen. In der Schlacht würde Mütterchen schon sehen, welch erbärmlichen Schutz ihr Waldläuferwams ihr bieten würde. Wenigstens der Hunne war in dieser Hinsicht verständiger. Sein Fell- und Schuppenpanzer sah äußerst wirkungsvoll aus.
    Löwenzahn hörte dem Gezänk der beiden stumm zu, und nur dann und wann verzog sich sein breites Gesicht in einem Anflug von Heiterkeit oder Schadenfreude.
    Ein halber Tag verging, während sie weiter dem Uferweg folgten. Die Vögel zwitscherten im Geäst, und gelegentlich paddelte eine Entensippe den Strom hinab. Ein tiefer Friede lag über der Landschaft, weit und breit war kein Mensch zu sehen.
    »Ist euch schon aufgefallen, daß es keine Boote auf dem Rhein gibt?« fragte Löwenzahn mit einemmal.
    Mütterchen und Alberich ließen von ihren Sticheleien ab und sahen ihn an.
    »Du hast recht«, sagte die Räuberin verwundert. Seit Anbeginn ihre Reise war ihnen kein einziges Fischerboot begegnet. Auch Flößer, die Holz flußabwärts in die baumlosen Länder brachten, waren nirgends zu sehen. »Es ist fast, als fürchteten sie sich vor etwas.«
    »Vor dem Fluß?« fragte der Krieger stumpfsinnig.
    Mütterchen hob die Schultern. »Oder vor etwas an seinem Ufer.«
    »Was kann das sein? Der Drache ist doch tot«, sagte Löwenzahn.
    »Ich habe das üble Gefühl, wir werden es noch in Erfahrung bringen.«
    Alberich blieb stehen. »Dann laßt uns endlich den Weg verlassen und durch die Wälder ziehen.«
    »Das wird Zeit kosten«, gab Mütterchen zu bedenken.
    »Alles andere mag unser Leben kosten«, entgegnete Alberich schnippisch.
    Die Räuberin zuckte mit den Achseln. »Es ist dein Hort.«
    Löwenzahn mischte sich ein. »Und unser aller Leben.«
    Damit war es beschlossene Sache. Sie schlugen sich vom Weg nach rechts, fünfzig, sechzig Schritt weit in die Wälder. Das Gelände stieg sanft bergan, und die Berge, die den Rhein rechts und links flankierten, rückten näher ans Flußbett. Der Boden wurde steiniger und steiler, und immer wieder mußten sie kleineren Schluchten und Spalten ausweichen. Felsnadeln wuchsen aus dem Waldboden empor, und vor allem das Pony hatte oft unter dem zerfurchten Grund zu leiden.
    Es dämmerte bereits, als sie von einer Lichtung aus einen merkwürdigen Felskamm erblickten. Er erstreckte sich in einem weiten Bogen von den Bergen zu ihrer Rechten bis zum Ufer und versperrte ihnen somit den Weg. Seine steilen Hänge waren noch mehr als tausend Schritte entfernt, aber selbst aus der Entfernung wirkten die zerklüfteten Spitzen bedrohlich und angsteinflößend. Alles in allem mußten sie an die zweihundert Mannslängen hoch sein, fast ein kleines, Gebirge. Dabei waren die schroffen Felsgipfel auffallend regelmäßig angeordnet, eine nahezu vollkommene Reihe aus scharfen schwarzen Spitzen. Ihnen allen kam bei diesem Anblick der gleiche Gedanke: Es sah aus wie –
    »Der Rücken eines Drachen!« stieß Löwenzahn aus.
    »So groß?« Alberich stockte der Atem.
    »Es sind nur Felsen«, beruhigte sie Mütterchen. »Ich kenne sie, ich war früher schon hier. Es stimmt, sie sehen aus wie die Zacken auf dem Rücken eines Lindwurms, aber tatsächlich gibt es dort nichts, das wir fürchten müßten.«
    Alberich hatte Zweifel. »Wie lange ist es her, daß du hier warst? Hundert Jahre?«
    » Hundert Jahre ?« rief sie empört. »Für wie alt hältst du mich, Zwerg?«
    Tatsächlich hatte er übersehen, daß hohes Alter bei Menschen – anders als bei Zwergen – nichts ist, mit dem man prahlt. Zudem hatte er nicht bedacht, daß das Große Volk keineswegs so lange lebte wie die steinalten Zwerge.
    »Neunzig, vielleicht?« schränkte er kleinlaut ein.
    Mütterchen hielt es für unter ihrer Würde, darauf zu antworten, und wandte sich statt dessen wieder dem seltsamen Felskamm zu. »Laßt uns weitergehen. Und stellt euch nicht an wie Hasenfüße.«
    »Wohlan denn!« seufzte Löwenzahn und setzte seine Muskelmassen in Bewegung.
    Auch Alberich folgte. Gemeinsam tauchten sie wieder unter das Blätterdach der Baumkronen, und die unheilvollen Felsspitzen verschwanden aus ihrem Blickfeld. Trotzdem war ihnen allen nicht wohl zumute, nicht einmal Mütterchen, die sich hier auskannte.
    »Einst versteckte sich meine Bande in diesen Felsen vor

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