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Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin

Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin

Titel: Nibelungengold 04 - Die Hexenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander (Kai Meyer) Nix
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aus den Schatten trat, ihr Bündel ins Stroh warf und das Kleid ablegte. Die enganliegende Reithose knirschte leise, als Kriemhild prüfend in die Knie ging, um das selten getragene Leder zu dehnen. Dann streifte sie ihre Schuhe ab und schlüpfte in die Stiefel. Ihr langes blondes Haar faßte sie straff mit einem Band zu einem Pferdeschwanz zusammen, den sie am Hinterkopf zu einem Knoten feststeckte. Zuletzt schob sie die beiden Dolche in die Stiefel, eine Klinge in jeden Schaft, sattelte Lavendel und befestigte Gernots Schwert am Sattelknauf.
    Augenblicke später trug der Schimmel sie zum Stall hinaus. Die letzte Hürde waren die Wachen am Bürgertor. In dieser Nacht aber, da ganz Worm die Erlaubnis hatte, im Burghof den Geburtstag des Königs zu feiern, waren die Kontrollen vereinzelt und oberflächlich. Kriemhild hatte sich eine Decke aus dem Stall um die Schultern geworfen und die Ränder so weit über Lavendels Rücken gezogen, daß sie auch das Schwert bedeckten. Sie senkte den Kopf und tat schläfrig, als forderten Wein und Bier ihren Tribut. Sie wagte nicht aufzublicken, als sie die Wachen passierte, und so sah sie nicht, ob man ihr überhaupt Aufmerksamkeit schenkte. Ohne Zwischenfälle verließ sie die Burg und schaute erst wieder auf, als die hohe, zinnengekrönte Ummauerung hinter ihr zurückblieb.
    Die Stadt lag südlich der Burg und bildete am Westufer des Rheins ein dichtes Knäuel aus verschlungenen Gassen, spitzgiebeligen Fachwerkbauten und kleinen, verwunschenen Plätzen. Auch hier wurde gefeiert, und mehr als einmal erntete das junge Mädchen auf seinem weißen Roß unflätige Zurufe betrunkener Kerle. Kriemhild war mehr als erleichtert, als sie die Stadtgrenze unbeschadet hinter sich ließ und zum Ufer des Rheins hinabritt. Der alte Fährmann, der sie schon ungezählte Male zur anderen Seite gebracht hatte, war auch in dieser Nacht auf seinem Posten.
    »Wenn das nicht –«, entfuhr es ihm verblüfft, doch Kriemhild schnitt ihm mit einem Wink das Wort ab.
    »Schweig«, verlangte sie und setzte freundlicher hinzu: »Ich bitte dich, schweig still. Und stell mir keine Fragen. Bring mich hinüber zum Ostufer.«
    »Aber, Prinzessin«, flehte der Alte, »das kann nicht Euer Ernst sein. Niemand will in diesen Tagen dort hinüber. Im Osten wütet die Pest.«
    Sie gab keine Antwort und lenkte Lavendel auf die Fähre. Die Hufe der Stute hämmerten lautstark über das Holz.
    Der alte Fährmann öffnete den Mund, um weiter auf sie einzuwirken, dann aber bemerkte er den entschlossenen Ausdruck auf Kriemhilds Gesicht. Er war weise genug, um zu wissen, daß junge Mädchen ihres Alters auf ihren eigenen Willen beharrten, und er erkannte auch, daß jeder Widerspruch ihren Entschluß nur gefestigt hätte.
    »Ich sah ein herrliches Feuerwerk am Himmel«, sagte er statt dessen, während er die Fähre vom Ufer löste. Das breite Floß bot Platz für zehn Pferde und war an zwei Seilen verankert, die quer über den Strom führten. Mit Hilfe einer mächtigen Kurbel, die ihrerseits eine komplizierte Mechanik aus hölzernen Zahnrädern antrieb, brachte der Alte die Fähre in Bewegung. Unter seinem Wams schwollen Muskeln, die manchen Jüngling mit Neid erfüllt hätten. Schon glitt die Fähre hinaus auf den Rhein. Das Wasser spülte schwarz und eisig um den hölzernen Rumpf, als verlangten die Flußgeister Einlaß.
    Als Kriemhild schweigend zum anderen Ufer starrte, sagte der Alte noch einmal: »Ich sah ein Feuerwerk, das schönste, das mir je vor die Augen gekommen ist. Graubart ist ein Meister seines Fachs.«
    »War«, verbesserte Kriemhild düster.
    »Wie meint Ihr das?«
    »Graubart ist tot. Die schönste Flamme, die du gesehen hast, die hellste Sonne, der gleißendste Stern- das war Graubart Ungestüm, Graubart Himmelsglut, Graubart der Narr.«
    »Ihr redet schlecht von einem Toten.«
    Sie schüttelte den Kopf, als gelte es, ein Schreckgespenst aus ihrem Schädel zu vertreiben. Zum ersten Mal sah sie den Fährmann an und lächelte. »Verzeih mir, mein Freund. Das wollte ich nicht. Es ist nur …« Und sie verstummte erneut.
    »Sprecht, wenn Ihr mögt, Prinzessin. Von mir erfährt niemand ein Wort, und hier draußen auf dem Fluß ist keiner sonst, der Euch hören könnte.« Sie sah ihm an, daß er es ehrlich meinte.
    »Es ist nur«, begann sie noch einmal, »daß ich Angst habe.« Plötzlich kicherte sie, aber es klang gereizt, nicht fröhlich. »Ich könnte nicht vom Pferd steigen, selbst wenn ich wollte. Meine Beine

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