Nicht mein Märchen (Aktionspreis zum Start von Buch 2 am 13.10.) (German Edition)
lange? War es schon dunkel draußen?“
„Ja, aber die Uhrzeit weiß ich nicht. Ich hab nur gewartet ob noch mehr Steine geflogen kommen, und dann bin ich hierhin gefahren, aber ihr hattet kein Licht mehr an und, und…“
„Okay, also, du hast das Haus verlassen, mit eingeschmissenen Fenstern. Hast du ne Ahnung ob die Leute wiederkommen? Vielleicht um einzubrechen?“
„Oh! Meinst du? Ich weiß nicht. Ich weiß es nicht !“ Ihre Stimme stieg zu einem Kreischen an.
Loris Stimme, die bis jetzt leise aus ihrem Zimmer zu hören gewesen war, verstummte. Ich hörte, wie Charles nervös lachte.
Ich ging in die Küche, griff nach einer weiteren Packung Taschentücher und warf sie meiner Mutter zu. „Ich rufe die Polizei an.“
Sie wich der Packung Taschentücher aus, anstatt zu versuchen sie zu fangen. „Ich hatte solche Angst. Es war furchtbar.“
„Polizeizentrale,“ antwortete ein Telefonistin am anderen Ende meines Handys.
„Hi, ich muss eine Straftat melden. Jemand hat die Fenster im Haus meiner Mutter eingeworfen.“
„Wissen Sie wer das war?“
„Keine Ahnung. Ich weiß nicht ob es Augenzeugen gibt, ich war nicht dabei.“
„Können Sie Ihre Mutter ans Telefon holen?“
Ich sah zu meiner Mutter rüber, die jetzt auf ihrer Seite lag und sich eines der Sofakissen vor den Bauch hielt. Sie schluchzte immer noch vor sich hin, wie ein kleines Mädchen, das sein Hündchen verloren hatte.
„Es ist wahrscheinlich besser, wenn Sie nur mit mir sprechen. Ich kann wenigstens zusammenhängend reden.“
E ine halbe Stunde später stand ich vor dem Haus meiner Mutter. Die weiße Außenwand leuchtete abwechselnd rot und blau – die Reflektion vom Blaulicht der Polizeiwagen. Zwei Streifenwagen waren davor geparkt. Die Luft war kalt und ich zitterte trotz meiner Jacke.
„Kein gewaltsames Eindringen,“ sagte einer der Polizisten. „Sieht nur nach Vandalismus aus.“
Ein anderer Polizist kam gerade von den Nachbarn zurück. „Niemand hat irgendwas gesehen. Sie haben Glas zerbrechen hören, waren aber davon ausgegangen, dass jemand einen Teller oder so hat fallen lassen. Sie sagen, das war so gegen zehn Uhr.“
„Hatten Sie dieses Problem schon einmal?“ fragte der erste Polizist mich.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Nun ja, niemand sonst in der Nachbarschaft ist betroffen. Hatte Ihre Mutter neulich mit irgendwem Streit?“
„Warten Sie, ich hole sie eben.“
Meine Mutter saß auf dem Beifahrersitz meines Autos. Sie hatte aufgehört zu weinen, aber ihre Augen waren riesig. Wenn sie in meinem Alter gewesen wäre, hätte dieser Ausdruck kindisch gewirkt. Bei einer fast vierzig Jahre alten Frau, sah es aus, als hätte sie nicht alle Tassen im Schrank.
„Mom, komm raus,“ forderte ich sie auf. „Rede mit der Polizei.“
Sie quälte sich aus dem Wagen und stellte sich dann neben mich, die Augen immer noch weit geöffnet.
„Ms. Hanson,“ sagte der erste Polizist, „haben Sie irgendeine Idee, wer das gewesen sein könnte?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Bist du sicher?“ fragte ich. „Hast du in letzter Zeit irgendwen gedatet?“
„Niemanden.“
„Niemanden – oder niemand bei dem du dir das vorstellen könntest? Komm schon, Mom!“
„Könnten Sie sich bitte beruhigen?“ ermahnte mich der Polizist.
„Niemand, der sowas tun würde. Ich habe öfters mit einem Typen auf e-Harmony gequatscht…“
Ich verdrehte die Augen.
Die Polizisten warfen sich einen Blick zu. „Okay,“ sagte der zweite, „erzählen Sie uns mal davon.“
„Er kommt aus North Dakota.“
Ich konnte mich so eben noch zusammenreißen, sie nicht bei den Schultern zu packen und kräftig durchzuschütteln. E-Harmony! Ihre außereheliche Affäre mit meinem Vater hatte nicht funktioniert, also stürzte sie sich danach in eine Reihe von ähnlichen Beziehungen - und jetzt hatte sie Partnerbörsen im Internet für sich entdeckt. Klasse.
Ich lief auf und ab während die Polizisten das Haus nach weiteren Hinweisen untersuchten, den Stein verpackten (obwohl ich bezweifelte, dass sie sich die Mühe machen würden, nach Fingerabdrücken zu suchen) und ihren Bericht schrieben.
Ich kam erst gegen fünf wieder nach Hause.
A ls ich wieder wach wurde, klingelte mein Telefon. Der Wecker auf meinem Nachttisch zeigte 11 Uhr an. Ich ergriff mein Handy und räusperte mich ein paar Mal bevor ich antwortete. „Hallo?“
„Oh, hab ich dich geweckt?“
Mist! Meine Stimme hatte mich trotzdem verraten.
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