Nicht mein Märchen (spezieller Festtags-Preis) (German Edition)
war gerade mit ihrer Feldforschung beschäftigt, also stand ihr Apartment leer.
„Ja, mach das.“ Er reichte mir den Haufen Papiere. „Nimm die. Und lies sie. Ach, und übrigens – es ist schön, dich wieder zu sehen.“
„Dich auch.“
Er legte die Arme um mich für eine weitere Umarmung.
Ich drückte ihn zurück und versuchte zu beurteilen, ob es eine freundschaftliche Umarmung war, oder mehr.
Aber er ließ mich wieder los, bevor ich mich entscheiden konnte. „Ich muss noch einige Besorgungen machen, soll ich dich nachher anrufen?“
„Ja, gerne.“
Ich schaffte es, Val über Skype zu erreichen, sie sagte mir, dass ich gerne in ihrer Wohnung bleiben könne und gab mir die Nummer einer Freundin, die sich bis jetzt um die Wohnung gekümmert hatte. Während ich darauf wartete, dass ihre Freundin mich zurück rief, las ich die Zettel, die Matthew mir dagelassen hatte. Ich rief mir ins Gedächtnis, dass Jason es mochte, in seinen Interviews zu lügen.
Aber das hier waren keine Interviews. Der Artikel über den Sex mit einer Minderjährigen war eine Zeugenaussage einer Frau, die berichtete, dass dies einer Freundin von ihr passiert sei und dass Jason ihr eine Viertel Million Dollar gezahlt habe, damit sie darüber Stillschweigen bewahrte. Die Webseite von der das kam, war nicht von einer Klatschzeitschrift, sondern von einem etablierten Nachrichtenmagazin.
Das Interview mit Donovan Reilly befasste sich eigentlich überhaupt nicht mit Jason. Er erwähnte Jason nur in einem Nebensatz, in dem er erwähnte, dass wegen Jasons „abendlicher Aktivitäten“ keiner von der Crew oder den anderen Schauspielern viel mit ihm zu tun hatte, während sie den ersten New Light filmten.
Die Sex-Party war in einem Polizeibericht zu finden, in dem stand, dass die Polizei eine Party in seinem Haus beenden musste, und vier Leute wegen unsittlicher Entblößung verhaftet hatte. Jason war offensichtlich so betrunken gewesen, dass er nicht mal aufstehen konnte um ins Polizei-Röhrchen zu pusten.
Und dann war da eine Geschichte nach der anderen, in der Jason die ganze Nacht durchfeierte und Clubs mit einer oder mehreren Frauen im Schlepptau verließ. Es gab eine Beschwerde vom Regisseur von New Light , dass Jasons wilder Lebensstil den Filmdreh hinauszögerte. Es gab Bilder von Jason wie er mit knapp bekleideten Frauen in oder aus seinem Auto stieg. Es sah aus, als würde er einen grauen Prius in LA fahren. Es gab dutzende solcher Bilder.
Mein Netbook klingelte. Es war Jason. Ich war mir nicht sicher, ob ich antworten wollte.
Aber ich tat’s. „Hi.“
Jason sah mich an, dann die Papiere in meiner Hand, dann wieder mich. „Hi.“
„Also…ja. Ich habe Matthew von Chris erzählt und-“
„Willst du wirklich darüber reden?“
„Ehm…“
„Naja, ich nehme an, ich werde wahrscheinlich lieber nicht über das da reden wollen,“ er nickte zu den Papieren, die ich hielt. „Wenigstens nicht über Skype. Aber ich will darüber reden, damit ich dir meine Seite dieser Geschichten erzählen kann.“
„Sind irgendwelche davon wahr?“
„Ich weiß ja nicht genau was du da hast.“
Ich ließ die Zettel fallen. „Weißt du was? Lass es uns vergessen.“
„Chloe, ich weiß nicht was du gerade von mir hältst, aber es kann nichts Gutes sein.“
„Ich bin an dir ja nur als Freund interessiert, deswegen machen mir diese ganzen Sachen nicht wirklich was aus.“
„Okay.“
„Bis auf den Sex mit der Minderjährigen.“
„Ich kann dir alles erklären, aber ich würde es lieber persönlich tun.“
Das hieß, dass es wahr war. Es gab keine Chance, dass ich ihn persönlich treffen wollte um das zu diskutieren.
„Sorry,“ sagte ich. „Ich sollte gehen.“
„Klar, ok.“ Er bewegte sich nicht während ich die Verbindung unterbrach.
Steve und ich trafen uns am nächsten Tag wieder in der Jura-Bibliothek der Universität und fuhren fort an dem Entwurf zu arbeiten, den er unter der Aufsicht seines Vaters verfasste.
„Du musst das nicht machen,“ sagte ich zu ihm. „Ich kann auch versuchen, Gesetzesvorschriften zu finden und-“
Er schüttelte den Kopf. „Ich muss wissen, wie man sowas macht. Du, hoffe ich, musst das nicht.“ Ich sah mich von der Seite an. „Hast du noch Narben?“
Ich nickte und zog mein Hosenbein hoch. Da, an der Seite meines Unterschenkels war die geldstückgroße Narbe zu sehen. Ich drehte das Bein, sodass er die identische Narbe auf der andern Seite sehen konnte.
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