Nicht ohne meine Schokolade
» Man kann seinen Freitagabend bestimmt netter verbringen .« Nachdem sie die Nagellackflasche mit »Flaming Desire« auf das Armaturenbrett vor ihren Partner gestellt hatte, spreizte Savannah Reid die Finger und betrachtete das Ergebnis ihrer Maniküre im schwachen Licht der gelben Halogen-Straßenbeleuchtung. »Sich in einem alten Buick den Arsch abzufrieren...«, sagte sie gedehnt, »...und darauf zu warten, daß dieser Perverse uns seine Visage zeigt, ist nicht unbedingt das, was ich mir unter einem netten Abend vorstelle .«
Dirk Coulter ließ sich tiefer in seinen Sitz gleiten und stützte seine Ellbogen auf das Steuer. »Also das tut mir jetzt auch weh«, sagte er. »Ich habe mein Bestes getan, um dich während der letzten Stunde zu unterhalten mit meiner sprühenden Konversation, meinem trockenen Mutterwitz, meinem...«
»Ach, hör doch auf, Coulter. Als ich vor fünf Minuten damit begann, mir die Nägel zu lackieren, hast du geschnarcht wie ein Bär mit einer Stirnhöhlenvereiterung .«
»Und ich hätte ein nettes kleines Nickerchen machen können, wenn du nicht mit deiner verdammten Maniküre angefangen hättest. Diese Scheiße stinkt... erinnert mich an Äther... an meine Operation... ich könnte kotzen .«
»Ja, ja, die Geschichte kenn’ ich schon, Schatz. Die alte Kriegsverletzung, stimmt’s ?« Sie hielt inne und pustete jeden Nagel einzeln trocken.
Er kurbelte sein Fenster ein Stück herunter und wedelte mit der Hand, um den beißenden Azetongeruch zu vertreiben. »Wann suchst du dir endlich eine andere Beschäftigung, wenn wir jemanden observieren? Ich sag’ dir eins, diese Dämpfe bringen mich um .«
»Ich höre damit auf, wenn du das Rauchen aufgibst .«
Er warf ihr einen finsteren Blick zu und schwieg.
Sie fuhr fort, ihre Nägel anzuhauchen. »Ich habe noch nie gehört, daß jemand von »Flaming-Desire«-Dämpfen Krebs bekommen hat. Du?«
Er kurbelte das Fenster wieder nach oben und öffnete eine Thermoskanne mit Kaffee. Das Aroma vermischte sich mit dem penetranten Nagellackgeruch und abgestandenem Zigarettenqualm. »Du bist manchmal ein ganz schönes Miststück, Reid .«
Sie gluckste vor sich hin. »Ja, ich weiß. Aber ich habe tolle Fingernägel .«
»Und setzt klare Prioritäten«, murmelte er.
Sie hielt ihre Hände in die Höhe, betrachtete sie und seufzte. »Ich kann den Erfolg meiner Ermittlungen immer am Zustand meiner Nägel ablesen. Wenn es mies läuft, sehen sie perfekt aus... zu lange auf dem Beobachtungsposten .«
»Und wenn es gut läuft?«
»Dann breche ich mir auf einer Tour meist gleich zwei oder drei ab .«
Er warf einen Seitenblick auf ihre ausgestreckten Hände und schnaubte, als er einen Schluck Kaffee trank. »Dann wird’s, glaube ich, Zeit, daß wir diesen Mistkerl festnageln .«
»Ja, höchste Zeit.« Sie wandte sich von ihm ab und blickte aus dem Fenster, um ihr befriedigtes Lächeln zu verbergen. In den letzten fünf Jahren, seit sie mit Dirk zusammenarbeitete, kam diese Äußerung einem Kompliment über ihr Äußeres näher als alles, was er ihr bisher gesagt hatte. Obwohl sie in den letzten paar Jahren etwas an Gewicht zugelegt hatte... okay, es waren dreißig Pfund, zugegeben... und die Vierzig überschritten hatte, sah sie ihrer eigenen Einschätzung nach immer noch recht gut aus. Aufmerksamkeiten und Schmeicheleien vom anderen Geschlecht waren immer selbstverständlich für sie gewesen.
Aber Dirk war eindeutig nicht der sentimentale Typ. Außer einem gelegentlichen »Klasse Oberweite, Mädel« hatte er jedes Lob für sich behalten. Mit Komplimenten war er ebenso geizig wie mit Geld.
Schäbig, sarkastisch, knickrig und zynisch, sogar wenn man es an Cop-Standards maß, aber Savannah mochte ihn trotzdem. Das war keineswegs immer so gewesen, er war ihr ans Herz gewachsen, ohne daß sie es bemerkt hatte. Sie hatten einige hundert Nächte wie diese zusammen in rauhen Gegenden zugebracht, hatten observiert, gewartet, auf das Beste gehofft, versucht, nicht das Schlimmste zu befürchten... so etwas trieb Menschen entweder auseinander oder ließ sie enger zusammenrücken. Gott sei Dank hatten die langen, schlaflosen Nächte, die sie in Dirks altem 62er Buick Skylark verbracht hatten, letzteres bewirkt.
Zum hundertsten Mal in den vergangenen Stunden blickte Savannah zum Wagenfenster hinaus und betrachtete ihre Umgebung. Im Westen konnte sie sehen, daß der südkalifornische Nebel wie jede Nacht von der Küste her die wohlhabenden Küstengebiete von San
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