Nicht schießen, Johnny!
warteten auf den Moment, wo das Oberhaupt der Familie geruhen würde, das Wort zu ergreifen.
Als er mit der Sprache herauskam, tat er es ohne alle Umschweife. »Kriegte heute einen Strafzettel. Wird uns vermutlich ganz hübsch was kosten.«
Johnny wußte sogleich, daß sein Vater, was immer auch geschehen sein mochte, im Recht gewesen war; anders war es nicht denkbar. Maggie unterdrückte jegliche Gefühlsäußerung und wartete auf die Einzelheiten.
»Fuhr auf der Autobahn«, sagte Mike mit halbvollem Mund und bewußt schroffem Ton, »da kam so’n gottverdammter Schnösel, mit Feuer unterm Schwanz, und riß mir beim Überholen fast den Kotflügel ab.«
»Mike«, sagte Maggie warnend, »Johnny ist doch hier.«
»Ich weiß, aber er wird ja bald ein Mann sein und kann sich ruhig schon an die Männersprache gewöhnen.«
»Hast du’s ihm gegeben, Dad?« fragte Johnny gespannt.
»Klar.« Mike nickte. »Die Cops haben ihn natürlich nicht gesehen; wenn man sie braucht, sind sie ja nie da. Nach zwei Kilometern erwischte ich ihn und machte mit ihm das gleiche, wie er mit mir. Um es ihm heimzuzahlen.«
»Prima!« jubelte Johnny. Seine Augen leuchteten vor Freude.
»Diesmal war natürlich ein Cop auf ’nem Motorrad auf der Brücke. Er kam runter und verpaßte mir ’nen Strafzettel.«
»Das kostet dich doch nicht den Führerschein, oder?« fragte Maggie. »Es gibt da irgend so ein Gesetz, glaube ich, wie viele Strafzettel man haben darf.«
»Ach was, den Führerschein verliere ich bestimmt nicht!« blaffte Mike. Damit war das Thema beendigt.
Sie aßen stumm weiter; es war ein unbehagliches Schweigen. Der Strafzettel würde mindestens dreizehn Dollar ausmachen, vielleicht sogar mehr, was bedeutete, daß sie auf irgendeine andere notwendige Anschaffung würden verzichten müssen. Johnny brauchte dringend eine neue Jacke, seine alte war an den Ellbogen durchgescheuert. Maggie sagte sich, falls er die alte noch ein bißchen länger tragen könnte, würde sie das Geld, das sie für eine neue Jacke zusammengespart hatte, zum Bezahlen der Strafe beisteuern.
Als sie mit dem Essen fertig waren, und Johnny mit einem Stück Brot den letzten Rest Soße vom Teller auftunkte, wandte sich Mike an seinen Sohn. »Johnny, ich weiß, daß ich dir versprochen hab, dich zum Baseballspiel mitzunehmen. Wir gehen ganz bestimmt, aber erst ein bißchen später. Okay?«
In Johnnys Augen schossen Tränen; er blinzelte ein paarmal, um sie zu vertreiben. Er hatte die Tage, die Stunden gezählt bis zu dem versprochenen Ausflug nach Anaheim, um die >Angels< zu sehen - Gene Autrys Team. Der Verzicht darauf war beinahe mehr, als er ertragen konnte, aber er versuchte es, um mit der Zähigkeit seines Vaters Schritt zu halten.
»Du mußtest es tun, Dad«, sagte er, »und das mit dem Cop tut mir wirklich leid.« Dann kam ihm ein tröstlicher Gedanke, und er griff hastig danach. »Ich kann mir die Spiele an meinem neuen Radio anhören.«
Mike drückte seinen Sohn liebevoll an sich. Er hatte nicht viele zärtliche Momente, aber er verstand sehr gut, wieviel Überwindung der Verzicht seinen Sohn kostete, und eine Sekunde lang schämte er sich. Aber dann dachte er daran, daß es nicht seine Schuld war; der andere hatte angefangen, aber ihn, Mike, hatte der Cop festgenagelt, und das war ungerecht.
»Können wir - ein andermal gehen?« fragte Johnny mit dünner Stimme.
»Aber sicher. Es gibt immer wieder mal so ein Schlagerspiel. Vielleicht nicht gerade mit den >Twins<, aber mit irgendeinem anderen guten Team. Mit >Boston< vielleicht oder den >Tigers<. Da nehmen wir uns dann sogar reservierte Plätze.«
In dem Schweigen, das folgte, verfluchte Mike insgeheim den Polizisten, der ihn in solch eine schmähliche Lage gebracht und seinem Sohn einen solchen Tort angetan hatte. Er sah den Jungen forschend an.
»Weinst du?« fragte er.
Johnny fuhr sich mit dem Ärmel über die Augen. »Ich dachte gerade an den Kerl, der dich von der Fahrbahn schubsen wollte«, sagte er schnell, um seine schimpfliche Entgleisung zu kaschieren. »Und an den gottverdammten Cop.«
»Stimmt haargenau«, erwiderte Mike. »Der gottverdammte Cop.«
Vater und Sohn waren sich in dem Moment sehr nahe, sie verstanden einander. »Weißt du, Junge, es ist manchmal verdammt hart, aber denk immer dran, wenn man im Leben vorwärtskommen und den anderen imponieren will, darf man sich von keinem was gefallen lassen. Du bist ein anständiger, sauberer, weißer Junge und brauchst von keinem
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