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Nicht so laut vor Jericho

Nicht so laut vor Jericho

Titel: Nicht so laut vor Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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Morgenstunden zu Hilfe eilen mußte, hätte ein scharfer Beobachter bei mir gewisse Anzeichen von Nervosität entdecken können. Ich brauche mindestens drei Stunden Schlaf, sonst beginne ich zu stottern. Und nicht einmal diese drei Stunden wollte der Balg mir gönnen.
    In jener unvergeßlichen Bartholomäusnacht hatte ich zwecks Ableistung erster Hilfe schon dreißigmal mein Lager verlassen, während die beste Ehefrau von allen friedlich auf dem ihren ruhte, in tiefem Schlaf, mit regelmäßigen Atemzügen, und manchmal mit einem sanften Lächeln um ihre Lippen, wenn sie, in den Schlummer hinein, den fernen »Pappi!«-Ruf vernahm. Ich verargte ihr dieses Lächeln nicht. Mein Sohn hatte ja schließlich mich gerufen und nicht sie. Trotzdem empfand ich es irgendwie als ungerecht, daß ich, der überarbeitete, abgeschundene Vorstand des Haushalts, zwischen meinem Bett und dem Baby-Winkel pausenlos hin- und herflitzen mußte, während die hauptberufliche Mutter ungestört neben mir dahinschnarchte.
    Ein leiser Groll gegen Amir keimte in meinem Innern auf. Erstens hätte er schon längst gelernt haben können, sich ohne Hilfe hinzusetzen, wie die anderen erwachsenen Kinder. Und zweitens war es kein schöner Zug von ihm, sich seiner lieben Mutter gegenüber, die ihn aufopfernd und unermüdlich hegte, so schlecht zu benehmen. Er ist eben rothaarig, wie ich schon sagte.
    Als die beste Ehefrau von allen wieder einmal ihre Zeit beim Friseur vergeudete, nahm ich Amir auf meine Knie und sprach langsam und freundlich auf ihn ein:
    »Amir – ruf nicht immer ›Pappi‹, wenn du etwas brauchst. Gewöhn dir an, ›Mammi‹ zu rufen. Mammi, Mammi. Hörst du, mein kleiner Liebling? Mammi, Mammi, Mammi.«
    Amir, auch das glaube ich schon gesagt zu haben, ist ein sehr aufgewecktes Kind. Und die beste Ehefrau von allen ist sehr oft beim Friseur.
    Nie werde ich den historischen Augenblick vergessen, als mitten in der Nacht zum ersten Mal aus Amirs Ecke der revolutionäre Ruf erklang:
    »Mammi! Mammi!«
    Ich griff mit starkem Arm nach meiner Ehefrau und rüttelte sie so lange, bis sie erwachte.
    »Mutter«, flüsterte ich in die Dunkelheit, »dein Sohn steht auf beiden Beinen.«
    Mutter brauchte einige Zeit und einige weitere Rufe, ehe sie die Situation erfaßte. Schwerfällig, um nicht zu sagen: widerwillig, erhob sie sich, schlaftrunken torkelnd kam sie nach einer Weile zurück. Aber sie sagte nichts und streckte sich wieder hin, wie jemand, der aus dem Halbschlaf wieder in den ganzen zu verfallen plant.
    »Mach dich darauf gefaßt, Liebling«, raunte ich ihr zu, »daß unser Sohn dich noch öfter rufen wird.«
    Und so geschah es.
    In den folgenden Wochen durfte ich mich nach langer, langer Zeit wieder eines völlig ungestörten Schlummers erfreuen. Unser kleines, süßes, blauäugiges Wunder hatte unter meiner Führung den richtigen Weg gefunden und hatte die Bedeutung der Mutterschaft vollauf begriffen. Die Lage normalisierte sich. Mutter bleibt Mutter, so will es die Natur. Und wenn ihr Kind nach ihr ruft, dann muß sie dem Ruf folgen. In einer besonders gesegneten Nacht stellte sie mit zweiundvierzig Ruf-Folgeleistungen einen imposanten Rekord auf.
    »Ich bin von Herzen froh, daß Amir zu dir zurückgefunden hat«, sagte ich eines Morgens beim Frühstück, als sie endlich so weit war, die Augen halb offen zu halten. »Findest du nicht auch, daß die Mutter-Kind-Beziehung das einzig Natürliche ist?«
    Leider nahm die einzig natürliche Situation ein jähes Ende. Es mochte vier Uhr früh sein, als ich mich unsanft wachgerüttelt fühlte.
    »Ephraim«, flötete die beste Ehefrau von allen, »dein Sohn ruft dich.«
    Ich wollte es zuerst nicht glauben. Aber da klang es aufs neue durch die Nacht.
    »Pappi! Pappi!«
    Und dabei blieb es. Amir hatte wieder zu mir herübergewechselt. Sollte das etwa daran liegen, daß ich um diese Zeit beinahe täglich in der Stadt zu tun hatte und oft viele Stunden lang von zu Hause wegblieb?
     
     
     

Rote Haare sind Ansichtssache
     
     
    Möge niemand auf den absurden Gedanken verfallen, daß wir gegen die Haarfarbe unseres kleinen Amir etwas einzuwenden hätten. Gehört es doch zu den Eigenheiten echtbürtiger Vorderorientalen, daß sie manchmal eine gewisse Neigung zur Rothaarigkeit aufweisen. Menschen mit roten Haaren sind ein schöner, farbenfroher Anblick. Meine kleine Frau und ich haben uns nichts sehnlicher gewünscht als ein rothaariges Kind. Leider haben wir drei.
     
    Die wahre Sachlage ist

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