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Nicht so laut vor Jericho

Nicht so laut vor Jericho

Titel: Nicht so laut vor Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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den Buffettisch umzuwerfen, glaubt’s einem jeder und man wird zum Gegenstand allgemeinen Neides.
     

Die Stimme des Blutes
     
     
    »Wen hast du lieber – Mutti oder Vati?« Diese Idiotenfrage bekommen kleine Kinder, besonders solche, die noch nicht sprechen können, immer wieder zu hören. Unserm Sohn Amir ergeht es nicht anders. Könnte er schon sprechen, so würde er antworten: »Mir ist es gleich. Ich bemühe mich, beide in Atem zu halten.«
     
    Es ist eine weithin bekannte Tatsache, daß wir beide, meine Frau und ich, unsere Familienangelegenheiten streng diskret behandeln und daß ich mir niemals einfallen ließe, sie etwa literarisch auszuwerten. Es kann ja auch keinen Menschen interessieren, was bei uns zu Hause vorgeht.
    Nehmen wir beispielsweise unser jüngstes Kind, den Knaben Amir, der in Wahrheit noch ein Baby ist, und zwar ein außerordentlich gut entwickeltes Baby. Nach Ansicht der Ärzte, die wir gelegentlich zu Rate ziehen, liegt sein Intelligenzniveau 30–35% über dem absoluten Minimum, und die restlichen 65–70% werden mit der Zeit noch hinzukommen. Amir hat blaue Augen, wie König David sie hatte, und rote Haare, ebenfalls wie König David. Das mag ein faszinierendes Zusammentreffen sein – für die Öffentlichkeit ist es uninteressant.
    Manchmal allerdings kommt es im Leben des Kleinkinds zu einem Ereignis, über das man unmöglich schweigend hinweggehen kann. So auch hier. Amir stand nämlich eines Tages auf und blieb stehen. Auf beiden Beinen.
    Man glaubt es nicht? Nun ja, gewiß, früher oder später lernen alle Kinder, auf beiden Beinen zu stehen. Aber Amir stand auf beiden Beinen, ohne es jemals gelernt zu haben, ohne Ankündigung oder Vorbereitung.
    Es war ungefähr fünf Uhr nachmittag, als aus dem Baby-Trakt unserer Wohnung ein völlig unerwartetes, sieghaftes Jauchzen erklang – wir stürzten hinzu – und tatsächlich: klein Amir stand da und hielt sich am Gitter seiner Gehschule fest. Tatsächlich, er stand fest auf beiden Beinen, sehr zum Unterschied von der Exportwirtschaft des Staates Israel. Unsere Freude war grenzenlos.
    »Großartig!« riefen wir. »Gut gemacht, Amir! Bravo! Mach’s noch einmal!«
    Hier ergaben sich nun einige Schwierigkeiten. Das Kind hatte erstaunlich frühzeitig, oder in jedem Fall nicht zu spät, das Geheimnis des Aufstehens ohne Hilfe erforscht, aber die Technik des Wiederhinsetzens war ihm noch nicht geläufig. Und da ein Kleinkind unmöglich den ganzen Tag lang stehen kann, gab der kleine Liebling deutliche Zeichen von sich, daß wir ihm beim Niederlassen behilflich sein sollten. Was wir auch taten.
    Amir steht sehr gerne auf. Er ist, wenn man so sagen darf, darauf versessen, zu stehen. Mindestens siebzigmal am Tag erklingt aus seiner Ecke der Ruf:
    »Pappi! Pappi!«
    Ich bin es, den er ruft. Ich, sein Vater, der ihn gezeugt hat. Darin liegt etwas zutiefst Bewegendes. Seine Mutter beschäftigt sich mit ihm fast ununterbrochen, sie füttert ihn mit allerlei Milch und verschiedenen Sorten von Brei, sie hegt und pflegt ihn nach besten Kräften – aber der wunderbare, fast atavistische Urinstinkt des Kindes spürt ganz genau, wer der Herr im Haus ist und wem er vertrauen darf. Deshalb bricht Amir jedesmal, wenn er aufsteht und sich nicht wieder hinsetzen kann, in den gleichen Ruf aus, in den Ruf:
    »Pappi! Pappi!«
    Und Pappi kommt. Pappi eilt herbei. Gleichgültig, was ich gerade tue und in welcher Lage ich mich befinde, vertikal oder horizontal – wenn mein Kind nach mir ruft, lasse ich alles stehen und liegen und bin an seiner Seite. Zugegeben: es ist ein schwerer Schlag für das Selbstbewußtsein meiner Frau. Es bringt selbst mich in eine gewisse Verlegenheit, daß das Kind, obwohl es in gewissem Sinn auch das ihre ist, sich so klar und eindeutig für seinen Vater entscheidet. Zum Glück ist meine Frau eine intelligente, aufgeklärte Person und weiß ihre Eifersucht zu verbergen. Vor ein paar Tagen gab sie mir sogar ausdrücklich zu verstehen, daß ich mir keine Sorgen machen müsse:
    »Es ist alles in Ordnung, Ephraim«, sagte sie, als ich wieder einmal von einer der Niederlassungs-Zeremonien zurückkam. »Amirs Liebe gehört dir. Damit muß ich mich abfinden.«
    So etwas kann einem richtig wohltun.
    Andererseits möchte man von Zeit zu Zeit auch schlafen.
    Solange das Kind nur während des Tags aufstand, war es mir eine frohe Selbstverständlichkeit, ihm beim Niedersetzen zu helfen. Aber als ich ihm immer öfter bis in die frühen

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