Nicht so stuermisch Hannah
überlegte Adam, ein Verhör? Beim Klang ihrer misstrauischen Stimme verging ihm das Lachen. Ja, ihr Ton ging ihm ziemlich auf die Nerven.
„Bevor ich Ihre Frage beantworte", begann Adam, verlagerte sein Gewicht und kreuzte die Arme vor der Brust, „möchte ich gerne wissen, wer diese Frage stellt."
2. KAPITEL
Der Mann brachte Hannah noch zur Raserei. Für wen hielt sich dieser Zimmermann, dieser Handwerker eigentlich? Wie kam er dazu, ihr Recht in Frage zu stellen, sich nach seiner Identität und seiner Arbeit an dem Haus ihres Vaters zu erkundigen? Wirklich, der Kerl war einfach unmöglich.
„Sehen Sie", sagte Hannah, „ich weiß nicht, wer Sie sind, aber ..."
„Ich sagte schon, wer ich bin", entgegnete Adam ruhig. „Und nun versuche ich herauszufinden, wer Sie sind."
Aus irgendeinem ihr selbst unerfindlichen Grund wollte Hannah dem Unbekannten nur ungern etwas über sich selbst erzählen. Dennoch zweifelte sie, dass er sich zufrieden geben würde, bevor sie ihm nicht irgendetwas über den Anlass ihrer Anwesenheit hier in Little Haven mitteilte.
„Ich komme aus New York." Ihre Stimme klang gepresst. „Ich will den Verkauf des Hauses und seines Mobiliars in die Wege leiten. Wenn Sie also nichts dagegen haben, möchte ich gern erfahren, wer Ihnen den Auftrag gegeben hat, das Haus zu renovieren, und wie hoch die von Ihnen erwartete Bezahlung ist."
Adam kniff die Augen zusammen, während Hannah sprach. „Was haben Sie gesagt?"
Hannah beobachtete den Mann und überlegte, was wohl die plötzliche Änderung seiner Haltung bewirkt hatte. Sie war sicher, ihn störte die Tatsache, dass sie das Thema „Lohn"
angesprochen hatte.
„Bevor ich der Bezahlung zustimmen kann, ist es, glaube ich, nur fair, wenn ich erfahre, wie viel mich das kosten wird. Meinen Sie nicht auch?"
Adam schien verwundert. „Ich erwarte keine Bezahlung", erklärte er.
Unbewusst zog Hannah einen Schmollmund. Doch bevor sie
einen Zweifel äußern konnte, fuhr Adam fort: „Sie dürfen das Haus nicht verkaufen."
Aha, dachte Hannah, das hat ihn also so aufgebracht.
„Was wird aus Tammy? Was geschieht..."
Dass er ihre Schwester erwähnte, steigerte Hannahs Aufregung - eine Aufregung, die sie nicht zu unterdrücken vermochte. „Sie kennen meine Schwester? Sie wissen, wo sie sich aufhält?"
„Ihre Schwester?"
„Sie wissen, wo ich Tammy finden kann?", wiederholte sie ihre Frage.
„Sie sind also Hannah? Hannah Cavanaugh?"
„Können Sie mir sagen, wo Tammy wohnt?"
„Sie sind Bobby Rays älteste Tochter?"
Keiner von beiden hörte dem anderen richtig zu. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, aus den verwirrenden Fakten dieser Situation schlau zu werden.
„Warten Sie", rief Hannah schließlich und hob eine Hand. „Aufhören."
Ihr war auf einmal klar, dass sie keine nützliche Information aus diesem Mann herausbringen würde, wenn sie nicht bereit war, ihm verständlich zu machen, wer sie war und warum sie gekommen war.
Sie seufzte. Sie musste ihre übermächtige Neugier in Bezug auf Tammy zähmen.
Zumindest für den Augenblick.
„Ja", bestätigte sie seine Vermutung. „Ich bin Hannah Cava naugh. Bobby Ray war mein Vater. Ich komme aus New York, um seine persönlichen Angelegenheiten zu ordnen. Ich werde die Möbel und das Haus verkaufen und den Erlös anlegen, um Tammys Versorgung zu sichern."
„Was meinen Sie mit, Tammys Versorgung sichern'? Warum sollte sie überhaupt fortzie hen?"
„Oh, ich hatte nicht geplant, ihr eine neue Unterkunft zu suchen", versicherte Hannah.
„Sie kann bleiben, wo sie ist. Ich möchte nichts tun, was sie in Aufregung versetzen könnte."
„Nun, aber das werden Sie." Adams Stimme wurde scharf. „Und Sie werden ihr auf jeden Fall eine neue Wohnung suchen müssen, wenn Sie das Haus verkaufen."
Bei dieser überraschenden Eröffnung fiel Hannah aus allen Wolken. „Tammy wohnt hier?"
Der Handwerker nickte kurz.
„A...aber", stotterte Hannah, „ich hatte vermutet, sie ... Man sagte mir, ich sollte sie suchen." Sie hob den Blick zu den Baumkronen, um ihre Fassung Zurückzugewinnen. Gleich darauf sah sie Adam Roth wieder an. „Tammy lebte hier bei meinem Vater?"
„Solange ich die beiden kenne."
Hannah sollte nicht eifersüchtig sein, nein, es gab keinen Grund eifersüchtig zu sein. Sie hatte eine perfekte, geordnete Kindheit gehabt. Sie war von einer verantwortungsbewussten Mutter erzogen worden. Von einer Mutter, die ihr Kind gewollt hatte. Hannah war körperlich und geistig
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