Nick Adams Stories
Patronen in das Magazin und holte sie wieder heraus. Sie lagen verstreut auf dem Bett.
«Henry», rief seine Frau, dann, nach einem Augenblick, nochmals: «Henry!»
«Ja», sagte der Doktor.
«Du hast doch zu Boulton nichts gesagt, was ihn ärgern könnte, nicht wahr?»
«Nein», sagte der Doktor.
«Worum ging es denn, Lieber?»
«Ach, nicht der Rede wert.»
«Erzähl mir’s, Henry. Bitte, versuch nicht, mir irgend etwas zu verschweigen. Worum ging es denn?»
«Also Dick schuldet mir ’ne Masse Geld, weil ich seine Squaw mit der Lungenentzündung durchgebracht habe, und er wollte wahrscheinlich Krach, damit er’s nicht abzuarbeiten braucht.»
Seine Frau schwieg. Der Doktor reinigte sein Gewehr sorgfältig mit einem Lappen. Er drückte die Patronen fest gegen die Feder des Magazins. Er saß da mit dem Gewehr auf den Knien. Er mochte es sehr gern. Dann hörte er die Stimme seiner Frau aus dem verdunkelten Zimmer.
«Mein Lieber, ich glaube nicht, wirklich, ich glaube nicht, daß irgend jemand so etwas tun könnte.»
«Nein?» sagte der Doktor.
«Nein. Ich kann es mir wirklich nicht vorstellen, daß jemand so etwas mit Absicht tut.»
Der Doktor stand auf und stellte das Gewehr in die Ecke hinter die Frisierkommode.
«Gehst du aus, Lieber?» fragte seine Frau.
«Ja, ich werd ein bißchen gehen», sagte der Doktor.
«Wenn du Nick siehst, Lieber, willst du ihm dann sagen, daß ihn seine Mutter sprechen möchte?» sagte seine Frau.
Der Doktor ging hinaus auf die Veranda. Die Fliegentür schlug hinter ihm zu. Er hörte, wie seine Frau den Atem einzog, als die Tür zuschlug.
«Entschuldige», sagte er vor ihrem Fenster mit den herabgelassenen Gardinen.
«Es ist schon gut, Lieber», sagte sie.
Er ging in der Hitze durch das Gatter hinaus und den Weg entlang in den Schierlingstannenwald. Selbst an einem so heißen Tag war es kühl in den Wäldern. Er fand Nick lesend mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt.
«Deine Mutter wünscht dich zu sprechen», sagte der Doktor.
«Ich möchte mit dir mitgehen», sagte Nick.
Sein Vater sah zu ihm hinab.
«Gut, dann komm», sagte sein Vater. «Gib mir dein Buch. Ich werd’s in die Tasche stecken.»
«Daddy, ich weiß, wo’s schwarze Eichhörnchen gibt», sagte Nick.
«Gut», sagte sein Vater. «Da wollen wir hingehen.»
Zehn Indianer
Nach einem vierten Juli kam Nick, als er spät abends mit Joe Garner und dessen Familie in dem großen Wagen aus der Stadt nach Hause fuhr, auf der Landstraße an neun betrunkenen Indianern vorbei. Er erinnerte sich, daß es neun gewesen waren, weil Joe Garner, der in der Dämmerung den Wagen lenkte, die Pferde zum Stehen brachte, auf die Straße hinuntersprang und einen Indianer aus der Räderspur zerrte. Der Indianer hatte mit dem Gesicht im Sand gelegen und geschlafen. Joe schleifte ihn ins Gebüsch und stieg wieder auf den Bock.
«Das ist jetzt der neunte allein vom Stadtrand bis hierher», sagte Joe.
«Nein, diese Indianer», sagte Mrs. Garner.
Nick saß mit den beiden Garner-Jungens auf dem Rücksitz. Er versuchte, vom Rücksitz aus den Indianer zu erspähen, da, wo ihn Joe längs der Straße hingeschleift hatte.
«War es Billy Tabeshaw?» fragte Carl.
«Nein.»
«Die Hosen sahen mächtig nach Billy aus.»
«Alle Indianer tragen die gleiche Art Hosen.»
«Ich hab ihn überhaupt nicht gesehen», sagte Frank. «Pa war unten auf der Straße und schon wieder oben, bevor ich irgendwas gesehen hatte. Ich dachte, daß er eine Schlange tötet.»
«Na, wahrscheinlich werden viele Indianer heute nacht Schlangen töten», sagte Joe Garner.
«Nein, diese Indianer», sagte Mrs. Garner.
Sie fuhren weiter. Der Weg bog von der großen Landstraße ab und führte hinauf in die Hügel. Die Pferde hatten schwer zu ziehen, und die Jungens stiegen aus und gingen zu Fuß. Die Straße war sandig. Nick blickte von der Kuppe des Hügels neben der Schule zurück. Er sah die Lichter von Petoskey und jenseits der Little Traverse Bay die Lichter von Harbour Springs. Sie kletterten wieder in den Wagen.
«Die sollten auf dieser Strecke eigentlich Kies streuen», sagte Joe Garner. Der Wagen fuhr die Straße entlang durch den Wald. Joe und Mrs. Garner saßen dicht beieinander auf dem Vordersitz. Nick saß zwischen den beiden Jungens. Die Straße führte auf eine Lichtung.
«Gerade hier hat Pa den Skunk überfahren.»
«Es war weiter unten.»
«Das ist doch wirklich egal, wo es war», sagte Joe, ohne den Kopf zu wenden. «Um einen Skunk zu
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