Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
schließlich resigniert nach hinten sinken ließ. Niemand versucht sich ernsthaft zu wehren, wenn er merkt, dass er eine Pistole im Mund hat.
Ich beugte mich zu seinem linken Ohr hinunter und flüsterte ihm mit meinem miserablen amerikanischen Akzent zu:
»Sprechen Sie Englisch? Dann nicken Sie einmal.«
Das tat er. Ich spürte, wie die Pistole sich auf und ab bewegte.
»Sie müssen sich entscheiden«, erklärte ich ihm. »Helfen Sie mir nicht, sterben Sie, tun Sie’s, lasse ich Sie leben. Haben Sie das verstanden?«
Es ist immer besser, sich in solchen Augenblicken Zeit zu lassen. Hat man’s mit jemandem zu tun, der ohnehin schon hypernervös ist, und fragt ihn: »Okay, wo ist Sarah?«, kann er nicht reden, weil er dieses Ding im Mund stecken hat, und ist völlig verwirrt, weil er nicht weiß, was man von ihm erwartet.
Am besten beschränkt man sich auf Fragen, die nur ein Nicken oder Kopfschütteln erfordern und bei denen man erkennt, ob man die richtigen Informationen bekommt. Natürlich immer 296
unter der Voraussetzung, dass der Befragte sie überhaupt besitzt.
Ich fühlte ein deutliches Zögern. Er war noch zu
durcheinander, dachte nicht richtig nach. »Haben Sie das verstanden?«, wiederholte ich und unterstrich meine Frage mit einem kurzen Stoß mit der Pistole. Nun begriff er endlich, und ich spürte eine Auf-und-Ab-Bewegung.
Sein Körper roch nach Seife und einem Shampoo mit
Apfelduft. Nur schade, dass er seine Zähne vernachlässigte.
Sein Mundgeruch war grässlich.
Nachdem er jetzt verstand, was Sache war, flüsterte ich:
»Hier im Haus ist eine Frau. Ja?«
Ich spürte sofort seine Erleichterung. Sein Körper
entspannte sich, als er merkte, dass ich es nicht auf ihn abgesehen hatte. Er nickte.
»Eine Frau?«
Wieder ein Nicken.
»Ist sie in diesem Stockwerk?«
Die Pistole bewegte sich seitlich.
»Ist sie im Stockwerk über uns?«
Auf und ab.
»Wissen Sie, in welchem Zimmer sie ist?«
Er versuchte zu schlucken, was mit offenem Mund
schwierig war, aber sein Zögern dauerte eine Idee zu lange: Er überlegte, was er antworten sollte. Dann schüttelte er langsam den Kopf.
Ich seufzte enttäuscht. »Dann sind Sie für mich nutzlos, und ich werde Sie erschießen. Ich glaube, dass Sie lügen.«
Keine Reaktion.
»Eine letzte Chance«, sagte ich. »Wissen Sie, in welchem 297
Zimmer sie ist?«
Ich richtete mich auf, um vom Bett zu steigen. Er verstand, was das bedeutete, und nickte hastig. Ich beugte mich wieder über ihn.
»Gut. Überlegen Sie, bevor Sie antworten. Ist sie von der Treppe aus gesehen in einem Zimmer auf der linken Seite des Flurs?« Ich vermutete, dass es im zweiten Stock einen Flur wie hier im ersten gab. Das war nur eine Annahme, aber mit irgendetwas musste ich anfangen.
Er dachte darüber nach, dann nickte er.
»Okay. Im ersten Zimmer links?«
Bossmann schüttelte den Kopf. Speichel lief ihm aus dem Mund und übers Kinn. Ich merkte, dass er hechelnd zu atmen begann, als bekomme er nicht mehr genug Sauerstoff.
»Ist sie im zweiten Zimmer links?«
Er nickte.
»Gut. Lügen Sie, komme ich zurück und erschieße Sie.«
Er nickte, um zu zeigen, dass er verstanden hatte, und begann zu würgen, weil ich den Schalldämpfer noch etwas weiter in seinen Rachen drückte. Gleichzeitig griff ich mit der linken Hand nach dem Tazer, schob die Sicherungstaste zur Seite und drückte ihn eingeschaltet auf seinen Brustmuskel.
Während das Gerät knisterte, zählte ich langsam bis fünf.
Wenn ich mich recht erinnerte, sollte ein Stromstoß von fünf Sekunden Länge bewirken, dass der Betreffende gelähmt und
»einige Minuten lang schwach und benommen« war. Nach kurzem Zappeln wirkte er allerdings sehr benommen.
Ich stieg vom Bett, nahm meine Taschenlampe in den
Mund, bückte mich und suchte in den Kleidungsstücken auf dem Fußboden nach seinen Socken. Ich fand eine, stopfte sie 298
Bossmann in den Mund und drückte sein Kinn hinunter, damit er sie ganz aufnahm. Laute werden nicht im Mund, sondern im hinteren Rachenraum und darunter erzeugt; ein wirkungsvoller Knebel muss diesen Raum möglichst ganz ausfüllen, damit Laute nicht im Mund verstärkt werden können. Ein Stück Klebstreifen über dem Mund reicht nicht aus, um die
gewünschte Wirkung zu erzielen. Außerdem beruhigt eine in den Mund gestopfte Socke jeden, weil man sich darauf konzentriert, genug Luft zu bekommen, statt zu versuchen, Alarm zu schlagen.
Ich hörte ihn trotz des Knebels ächzen und stöhnen, als
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