Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
jetzt unter mir reden. Er sprach wie eine Kindergärtnerin auf Sarah ein: »Okay, gleich ist’s so weit, wir setzen gleich auf. Knie beugen, Beine hochziehen und unter dem Körper behalten. Haben Sie die Beine hochgezogen?«
Sie musste seine Frage bejaht haben. Ich nahm die Nachtsichtbrille ab und ließ sie vor meiner Brust baumeln.
»Okay, jetzt meine Handgelenke umfassen«, forderte Reg 1 sie auf. Ich stellte mir vor, wie Sarah nach seinen Handgelenken griff, während er die Knebel der Steuerleinen umklammert hielt; so sollte verhindert werden, dass sie sich bei einer harten Landung verletzte.
Ich sah den Boden noch immer nicht - dazu war es viel zu dunkel -, aber ich hörte Reg 1 sagen: »Okay, gleich ist’s so
weit ... wir schweben aus ... wir schweben aus ...«
Dann ein Poltern, als sein Rucksack aufschlug, und seine knappe Warnung: »Jetzt!«
Sein Schirm fiel in sich zusammen, als ich über die beiden hinwegflog. Mein Rucksack hing jetzt an den Schultergurten über meinen Stiefelspitzen; als ich ihn mit einem Tritt wegbeförderte, fiel er ans Ende seiner drei Meter langen Leine. Sobald ich ihn aufschlagen hörte, schwebte ich ebenfalls aus. Ich kam auf, lief noch drei oder vier Schritte mit, drehte mich dann rasch um und zog an meinen Leinen, damit der Schirm zusammenfiel.
Neben mir tauchte eine Gestalt auf. Reg 3 bis 6, die seit fünf Tagen in Syrien waren, hatten das Unternehmen vorbereitet und bewachten unsere Absetzzone. Der Teufel mochte wissen, wie sie hergekommen waren; mich brauchte das nicht zu kümmern.
»Alles in Ordnung, Kumpel?« Diese Stimme kannte ich. Sie gehörte Glen, dem Kommandeur am Boden, den ich als Einzigen der Männer kannte. Er sah aus, als müsste er mit stählerner Stimme wie Clint Eastwood sprechen, aber wenn er den Mund aufmachte, glaubte man, den sanften David Essex zu hören.
»Yeah. Alles bestens, Kumpel.«
»Los, runter mit dem ganzen Scheiß.«
Es dauerte nur wenige Minuten, bis unsere Schirme, Tarnanzüge, Helme und Sauerstoffmasken in großen Aluminiumboxen verstaut waren und wir in zwei Toyota Previas saßen, deren Fahrer Nachtsichtbrillen trugen. Die Fahrt ging quer durch die Wüste zu einem Industriegebiet am Rand einer Kleinstadt, die keine eineinhalb Kilometer von den
Golanhöhen und der Grenze nach Israel entfernt lag. Wir trugen alle identische Kleidung: olivgrüne Overalls, darunter Zivilkleidung (falls wir uns zu Fuß nach Israel durchschlagen mussten), Gürteltaschen und Stiefel nach eigener Wahl. Ich hatte mich für Wanderstiefel von Nike entschieden, nachdem wir uns vergewissert hatten, dass sie in Tel Aviv in jeder Geschäftsstraße erhältlich waren.
Glen und ich waren alte Freunde. Nachdem wir Anfang der achtziger Jahre gemeinsam die Eignungsprüfung für das SAS- Regiment bestanden hatten, hatten wir uns näher kennen gelernt, als wir dieselbe Frau umworben hatten, mit der er jetzt verheiratet war. Glen war wie ich Ende Dreißig, hätte seinem Aussehen nach aus Süditalien stammen können und wirkte ständig unrasiert. Er war immer fröhlich, liebte seine Frau und seine beiden Kinder, liebte seine Arbeit und liebte wahrscheinlich auch sein Auto und seine Katze. In den letzten fünf Tagen hatte Glen mit seinen Leuten einen Sprengstoffanschlag auf ein Umspannwerk vorbereitet, damit in der ganzen Stadt der Strom ausfiel, während wir in unser Zielobjekt eindrangen, und ich wusste, dass ihm diese Arbeit Spaß gemacht hatte.
»Wir sind am Ausgangspunkt.«
Von jetzt an würden wir nur noch flüstern dürfen. Als wir aus dem Wagen stiegen, machte ich Sarah ein Zeichen, mir zu folgen, damit wir den anderen nicht im Weg waren. Das Sternenlicht war gerade hell genug, dass wir uns ohne zu stolpern bewegen konnten. Wir hockten uns unter den knorrigen Baum eines Olivenhains. Was mir am Nahen Osten immer am besten gefiel, waren die Sterne; hier glaubte man,
das gesamte Universum deutlich vor Augen zu haben.
Die Regs überprüften ihr Zeug, nahmen ihre Rucksäcke auf den Rücken und machten sich marschbereit. Der Lichtschein der Stadt war ungefähr fünf Kilometer jenseits des Ziels zu erkennen. Nach der Wärme im Auto erschien mir die Nachtluft unangenehm kalt, und ich konnte es kaum erwarten, bis wir endlich loszogen.
Unser Fahrer kam auf uns zu und hielt eine kleine Magnetbox hoch. »Die Schlüssel«, sagte er. »Bei beiden Fahrzeugen im linken hinteren Radkasten.«
Während wir beide nickten, sah ich zu Sarah hinüber. Sie hatte einen kleineren
Weitere Kostenlose Bücher