Nick Stone - 03 - Verbrannte Spuren
bemühte mich auf den Knien liegend um mein Feuer und legte an den richtigen Stellen weitere Holzstückchen nach, während die Hütte sich mit Rauch füllte, der meine Augen tränen ließ.
Die Flammen waren jetzt höher und warfen tanzende Schatten auf die Wände der Hütte. Ich konnte ihre Hitze auf meinem Gesicht spüren.
Jetzt brauchte ich vor allem mehr Holz, bevor mein Feuerchen wieder erlosch. Ich suchte zusammen, was sich in der Hütte finden ließ. Sobald das Feuer richtig in Gang gekommen war, konnte ich mich in den heulenden 642
Sturm hinauswagen, um von den anderen Schuppen
Bretter abzureißen.
Ich stieß die Tür einen Spalt weit auf, damit der Rauch abziehen konnte. So trieb der Wind Schnee herein, aber das musste sein. Sobald ich konnte, würde ich den Spalt größtenteils abdichten.
Tom war viel stiller geworden. Ich musste wegen des dichten Rauchs husten, als ich zu ihm hinüberkroch. Ich wollte sehen, ob unter ihm oder in der Ecke hinter ihm Holz zu finden war. Viel kam nicht zusammen, aber jedes kleine Stück war nützlich. In dieser kleinen Hütte konnte ich kein Riesenfeuer machen, aber das war auch gar nicht nötig; der Abstand zwischen den Wänden war so gering, dass sie die Hitze sofort zurückwerfen würden.
Ich kontrollierte mein Feuer und legte etwas Holz nach. »Jetzt dauert’s nicht mehr lange, Kumpel. Bald ziehen wir unsere Klamotten aus, weil uns so heiß ist.«
Als Nächstes musste ich versuchen, ein heißes Getränk zuzubereiten, um Tom von innen heraus aufzuwärmen.
Ich stapelte das restliche Holz in der Nähe des Feuers auf, damit es trocknen konnte, und drehte mich nach Tom um. »Ich gehe nur schnell raus und versuche was zu finden, in dem wir Schnee schmelzen können, um …«
Er lag verdächtig still. Seine bis zur Brust
hochgezogenen Beine sahen irgendwie merkwürdig aus.
»Tom?«
Ich kroch zu ihm, drehte ihn dem Feuer zu und streifte die Kapuze von seinem Gesicht zurück. Im flackernden Feuerschein sagte es mir alles, was ich wissen musste.
Ich zog seine Lider hoch. Das Licht rief keine Reaktion 643
hervor. Beide Pupillen blieben vollständig geweitet wie die eines toten Fischs. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie sich trübten.
Ich tastete nach seiner Halsschlagader. Kein Puls mehr. Aber das konnte an meinen vor Kälte starren Fingern liegen. Ich horchte auf Atemzüge und tastete sogar nach seinem Herzen. Nichts. Sein Mund stand noch immer von dem Augenblick offen, in dem er seinen
letzten Atemzug getan oder verzweifelt nach Luft
gerungen hatte. Ich drückte seinen Unterkiefer sanft nach oben.
Es wurde Zeit, dass ich an mich dachte. Ich zog
mühsam meine nassen Sachen aus und wrang sie einzeln aus, bevor ich sie wieder anzog.
Dann hockte ich am Feuer, legte wieder Holz nach und war mir bewusst, dass ich mich weiter um ihn hätte bemühen sollen. Auch wenn die Chancen dafür eins zu einer Million standen, hätte ich versuchen sollen, ihn wieder zu beleben und zu wärmen, bis ich so erschöpft war, dass ich nicht weitermachen konnte. Aber wozu? Ich wusste, dass er tot war.
Vielleicht würde er noch leben, wenn wir uns
eingegraben hätten, als der Schneesturm eingesetzt hatte.
Dann wären wir morgens in schlimmer Verfassung
gewesen, aber vielleicht hätte er überlebt. Vielleicht hätte ich ihn nicht so unbarmherzig antreiben oder seinen schlechten Zustand rechtzeitig erkennen und früher Halt machen sollen. Fragen über Fragen, aber nur ein Punkt, in dem ich Gewissheit hatte: Ich hatte Tom umgebracht.
Statt ihn zu retten, hatte ich ihn in den Tod getrieben.
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Ich betrachtete seinen leblosen Körper, den wieder geöffneten Mund, seine langen Haare, die nass an seinem Gesicht klebten, die jetzt schmelzenden Eiskristalle an seinem spärlichen Bartwuchs. Ich würde versuchen, mich an den schwatzhaften, aber zufriedenen Tom zu erinnern, aber ich wusste, dass ich dieses Bild im Gedächtnis behalten würde. Es war dafür prädestiniert, den
Spitzenplatz auf der Liste der Gesichter einzunehmen, die mich in den frühen Morgenstunden schweißnass und
schuldbewusst aus Alpträumen hochschrecken ließen.
Musste ich an Therapieprogrammen der Firma für ihre Agenten teilnehmen, behauptete ich den Psychologen gegenüber, ich hätte keine Alpträume. Das war natürlich gelogen. Vielleicht war es nur gut, dass ich jetzt in Kellys Behandlung eingebunden wurde. Ich begann zu ahnen, dass ich nicht weniger therapiebedürftig war als sie.
Ich schleifte den
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