Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil
am
Leben, war aber so ermattet, daß es sich nicht zu rühren vermochte. Karr stand neben dem Kalbe. Bald beugte er sich hinab
und leckte es, bald stieß er ein lautes Geheul aus, um Hilfe herbeizurufen.
Der Holzwärter hob das Kalb auf und machte sich daran, es an Land zu schleppen. Als es dem Hund klar wurde, daß das Kalb gerettet
werden würde, geriet er ganz außer sich vor Freude. Er sprang rund um den Holzwärter herum, leckte ihm die Hände und bellte
vor Entzücken.
Der Holzwärter trug das Kalb nach Hause und setzte es in einen Stand im Stall. Dann mußte er Hilfe herbeiholen, um die tote
Elchkuh aus dem Moor zu ziehen, und erst als das alles besorgt war, fiel ihm ein, daß er ja Karr erschießen sollte. Er rief
den Hund, der ihm die ganze Zeit gefolgt war, und ging wieder mit ihm in den Wald.
Der Holzwärter schlug den Weg nach dem Hundegrabe ein, ehe er aber noch angelangt war, kam er auf andere Gedanken, denn plötzlich
kehrte er um und ging auf den Herrenhof zu.
Karr war ihm ganz still gefolgt, als aber der Holzwärter umkehrte und nach seinem alten Heim ging, wurde er unruhig. Sicher
hatte der Holzwärter ausfindig gemacht, daß er die Elchkuh umgebracht hatte, und nun sollte er nach dem Herrenhof, um seine
Strafe in Empfang zu nehmen, ehe er starb.
Aber Prügel zu kriegen, war das Schlimmste, was Karr sich denken konnte, und bei dieser Aussicht vermochte er den Mut nicht
aufrecht zu halten. Er ließ den Kopf hängen, und als er auf den Hof kam, sah er nicht auf, sondern tat so, als kenne er niemand.
Der Gutsbesitzer stand auf der Treppe, als der Holzwärter daherkam. »Was in aller Welt ist das für ein Hund, mit dem Sie da
kommen, Holzwärter?« sagte er. »Es ist doch wohl nicht Karr? Der muß doch schon längst erschossen sein.« Da erzählte der Holzwärter
von den Elchen, und Karr machte sich so klein, wie er nur konnte, und kroch hinter den Beinen des Holzwärters zusammen, als
wolle er sich verstecken.
Aber der Holzwärter erzählte die Geschichte nicht so, wie Karr es erwartet hatte. Er konnte nicht genug Worte des Lobes für
Karr finden. Er sagte, der Hund habe offenbar gewußt, daß die Elche in Not seien, und habe sie retten wollen. »Der Herr muß
ja tun, was der Herr will, ich kann den Hund aber nicht totschießen,« schloß der Holzwärter seinen Bericht.
Der Hund erhob sich und spitzte die Ohren. Er wollte kaum glauben, daß er recht gehört hatte. Obwohl er ungern verraten wollte,
wie bange er gewesen war, konnte er sich nicht enthalten, ein klein wenig zu bellen. War es wirklich möglich, daß er am Leben
bleiben durfte, nur weil er um die Elche besorgt gewesen war?
Der Gutsbesitzer fand auch, daß Karr sich gut benommen hatte, da er ihn aber unter keinen Umständen wieder haben wollte, wußte
er nicht gleich, was er sagen sollte. »Ja, wenn Sie sich seiner annehmen wollen, Holzwärter, und dafür einstehen wollen, daß
er sich besser schickt als bisher, so mag er leben,« sagte er endlich. Dazu war der Holzwärter bereit, und so ging es zu,
daß Karr zum Holzwärter kam.
Graufells Flucht.
Von dem Tage an, als Karr zum Holzwärter kam, ließ er die unerlaubte Jagd im Walde ganz nach. Nicht daß er bange geworden
wäre, sondern vielmehr weil er nicht wollte, daß der Holzwärter böse auf ihn werden sollte. Denn seit der Holzwärter ihm das
Leben gerettet hatte, liebte er ihn über alles in der Welt. Er hatte keinen anderen Gedanken, als ihm zu folgen und für ihn
zu sorgen. Ging er aus, so lief Karr voraus und untersuchte den Weg, und saß er zu Hause, so lag Karr draußen vor der Tür
und beobachtete jeden, der kam und ging.
Wenn im Holzwärterhäuschen alles still war, wenn man keinen Schritt auf dem Wege hörte, und Karrs Herrsich mit den kleinen Bäumen zu schaffen machte, die er im Küchengarten züchtete, vertrieb sich Karr die Zeit, indem er mit
dem Elchkalb spielte.
Anfangs hatte Karr gar keine Lust, sich mit ihm abzugeben. Da er aber seinen Herrn überall hin begleitete, ging er auch mit
ihm in den Stall hinaus, wenn der Holzwärter dem Elchkalb Milch gab; er saß dann vor dem Stand und sah das Kalb an. Der Waldhüter
nannte das Kalb Graufell, denn er fand, es verdiene keinen feineren Namen, und darin stimmte Karr mit ihm überein. Jedesmal,
wenn er das Kalb sah, meinte er, nie etwas gesehen zu haben, was so häßlich war und so schlecht zusammengesetzt. Es hatte
lange schlackerige Beine, die wie ein Paar
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