Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil
Felsklippen und die spitzen Gipfel und
scharfen Abhänge aufzuführen, die sonst als Mauern und Dach auf den fertiggebauten Bergen stehen.
Aber gleichsam als Ersatz für Klippen und Kuppen istder große Berg zu allen Zeiten mit hohen, mächtigen Bäumen bedeckt gewesen. Eichen und Linden an den äußeren Rändern und
in den Talschluchten, Birken und Erlen um die Seen herum, Fichten oben auf den steilen Absätzen und Tannen überall, wo sie
nur eine Handvoll Erde finden, in der sie wachsen können. Alle diese Bäume im Verein bildeten einen großen Wald, den Kolmård,
der in alten Zeiten so gefürchtet war, daß jeder, der ihn notgedrungen durchwandern mußte, sich Gott empfahl und sich darauf
vorbereitete, daß seine letzte Stunde gekommen sei.
Es ist jetzt so lange her, seit der Kulmård ein Wald wurde, daß es unmöglich ist, zu sagen, wie es kam, daß er so ward, wie
er wurde. Er hatte sicher zu Anfang eine schwere Zeit auf dem harten Berggrund, und er wurde abgehärtet, weil er gezwungen
war, sich festen Fuß zwischen nackten Felsklippen und Nahrung aus magerem Kies zu suchen. Es erging ihm wie so manch einem,
der in jungen Tagen Böses leiden muß, aber groß und stark wird, wenn er heranwächst. Als der Wald ausgewachsen war, hatte
er Bäume, die drei Klafter im Umkreis waren, die Zweige der Bäume waren zu einem undurchdringlichen Netz zusammengeflochten,
und die Erde war mit harten, glatten Baumwurzeln durchwoben. Er war ein vorzüglicher Aufenthaltsort für wilde Tiere und Räuber,
die wußten, wie man kriechen und klettern und sich winden mußte, um sich einen Weg durch das Dickicht zu bahnen. Aber für
andere besaß er keine besondere Anziehungskraft. Er war dunkel und kalt, wegelos und irreleitend, dicht und stechend, und
die alten Bäume mitihren bärtigen Zweigen und moosbewachsenen Stämmen glichen Kobolden.
In der ersten Zeit, als die Leute begannen, sich in Sörmland und Ostgotland niederzulassen, war da fast überall Wald, aber
in den fruchtbaren Tälern und den Ebenen wurde er bald ausgerodet. Niemand dahingegen machte sich etwas daraus, im Kolmård,
der auf magerem Berggrund wuchs, zu fällen. Aber je länger er Erlaubnis erhielt, unberührt zu stehen, um so stärker wurde
er. Er war wie eine Festung, deren Mauern von Tag zu Tag dicker wurden, und wer durch die Waldmauer hindurch wollte, der mußte
eine Axt zu Hilfe nehmen.
Andere Wälder sind oft bange vor den Menschen, vor dem Kolmård aber mußten die Menschen bange sein. Er war so dunkel und so
dicht, daß Jäger und Besenbinder sich einmal über das andere darin verirrten und nahe daran waren umzukommen, ehe es ihnen
gelang, sich aus der Wildnis herauszuarbeiten. Und für die Reisenden, die gezwungen waren, von Ostgotland nach Sörmland, oder
umgekehrt, zu ziehen, war der Wald geradezu lebensgefährlich. Sie mußten sich mühselig auf schmalen Wildpfaden vorwärtsarbeiten,
denn die Grenzbevölkerung war nicht einmal imstande, einen gebahnten Weg durch den Wald instand zu halten. Da waren weder
Brücken über die Bäche noch Fähren über die Seen oder Dämme über die Moore. Und im ganzen Walde war auch nicht eine Hütte,
in der friedliche Leute wohnten, während es genug Räuberhöhlen und Gruben mit wilden Tieren gab. Nicht viele kamen mit heiler
Haut durch den Wald, um so mehr aber stürzten in Abgründe oder versanken in Sümpfe,wurden von Räubern geplündert oder von wilden Tieren gejagt. Aber auch die Leute, die außerhalb des Waldes wohnten und sich
nie dahinein wagten, hatten Ärger von ihm, denn beständig kamen Bären und Wölfe aus dem Kolmård herab und nahmen ihr Vieh.
Und es war unmöglich, die wilden Tiere auszurotten, so lange sie sich in dem dichten Walde verstecken konnten.
Es herrscht kein Zweifel darüber, daß sowohl die Ostgotländer als auch die Sörmländer den Kolmård gern los sein wollten, aber
damit ging es nur langsam, solange anderwärts brauchbarer Boden war.
Nach und nach fing man doch an, ihn zu bewältigen. Auf den Bergabhängen rings um den Hochwald selbst wuchsen Höfe und Dörfer
empor. Der Wald wurde einigermaßen fahrbar, und bei Krokek, mitten in die ärgste Wildnis hinein, bauten die Mönche ein Kloster,
in dem die Reisenden eine sichere Zufluchtsstätte fanden.
Der Wald blieb aber trotzdem mächtig und gefährlich, bis ein Wanderer, der in das tiefe Dickicht hineingedrungen war, eines
Tages zufällig entdeckte, daß Erz in dem Berge
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