Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
Vom Netzwerk:
mächtiger Wald, und dieser Wald war unter Tieren und Menschen bekannt, weil
     die Besitzer seit einer Reihe von Jahren so besorgt um ihn gewesen waren, daß sie nicht einmal Bäume zu Brennholz hatten fällen
     lassen. Sie hatten es auch nicht übers Herz bringen können, ihn auszuholzen oder zu kappen, sondern hatten den Wald wachsen
     lassen, wie er wollte. Es war aber ganz selbstverständlich, daß ein Wald, der so geschont wurde, eine beliebte Zufluchtsstätte
     für die Tiere werden mußte, und die waren denn auch in großen Mengen dort vorhanden. Unter sich nannten sie ihn den Hegewald,und sie betrachteten ihn als den besten Aufenthaltsort, den sie im ganzen Lande hatten.
    Während der Hund durch den Wald gezogen wurde, dachte er daran, daß er ein Schrecken für alle die kleinen Tiere gewesen war,
     die dort wohnten. »Es würde sicher Freude ringsumher im Dickicht herrschen, wenn sie wüßten, was deiner harrt, Karr,« dachte
     er. Aber er wackelte mit dem Schwanz und stimmte ein fröhliches Gebell an, damit niemand sagen sollte, daß er ängstlich oder
     mutlos sei.
    »Welch Vergnügen ist denn auch noch am Leben, wenn ich nicht hin und wieder einmal jagen kann!« sagte er. »Bereue, wer Lust
     dazu hat; ich spüre keine Lust!«
    Aber im selben Augenblick, als der Hund das zu sich sagte, ging eine merkwürdige Veränderung mit ihm vor. Er reckte Kopf und
     Hals in die Höhe, als habe er Lust zu heulen. Er lief nicht mehr neben dem Holzwärter her, sondern hielt sich hinter ihm.
     Offenbar war ihm etwas Unangenehmes eingefallen.
    Es war zu Anfang des Sommers. Die Elchkühe hatten kürzlich ihre Jungen zur Welt gebracht, und am vorhergehenden Abend hatte
     der Hund das Glück gehabt, ein kleines Elchkalb, das kaum mehr als fünf Tage alt war, von seiner Mutter zu trennen und es
     in ein Moor hineinzutreiben. Dort hatte er das Kalb zwischen den Grashügeln hin und her gejagt, eigentlich nicht, um es zu
     fangen, sondern nur um sich an seiner Angst zu weiden. Die Elchkuh wußte, daß das Moor jetzt, sobald nach der Schneeschmelze
     grundlos war und ein so großes Tier wie sie nicht tragen konnte, deswegen blieb sie am Uferstehen, solange sie es aushalten konnte. Als Karr das Kalb aber weiter und weiter hinausjagte, ging die Elchkuh plötzlich
     auf das Moor hinaus, jagte den Hund weg, nahm das Kalb mit und machte sich wieder auf den Weg an Land. Sie hatte fast das
     Ufer erreicht, als ein Grasbüschel, auf den sie den Fuß gesetzt hatte, plötzlich in dem Schlamm versank und sie mit in die
     Tiefe hinabriß. Sie strengte sich an, wieder in die Höhe zu kommen, konnte aber nicht Fuß fassen und sank tiefer und tiefer
     hinab. Karr stand da und sah zu und wagte kaum zu atmen, als es ihm aber klar wurde, daß die Elchkuh sich nicht zu retten
     vermochte, lief er davon, so schnell seine Füße ihn tragen konnten. Er dachte an alle die Prügel, die er bekommen würde, sobald
     es herauskam, daß er eine Elchkuh ins Moor hinausgelockt hatte, und er wurde so bange, daß er nicht still zu stehen wagte,
     ehe er zu Hause angelangt war.
    Hieran mußte der Hund plötzlich denken, und dies quälte ihn aus ganz andere Weise als alle die übrigen tollen Streiche, die
     er ausgeführt hatte. Das kam vielleicht daher, weil es gar nicht seine Absicht gewesen war, die Elchkuh oder das Kalb zu töten;
     er war ganz unversehens dazu gekommen.
    »Aber vielleicht sind sie noch am Leben,« dachte der Hund plötzlich. »Sie waren ja noch nicht tot, als ich fortlief. Am Ende
     haben sie sich gerettet!«
    Eine unwiderstehliche Lust wandelte ihn an, etwas hierüber zu erfahren, solange es für ihn noch Zeit war. Er merkte, daß der
     Waldhüter den Strick nicht besonders festhielt, machte einen raschen Sprung nach der Seite,und kam wirklich los. Darauf rannte er davon durch den Wald und hinab nach dem Moor, und zwar in einer solchen Fahrt, daß
     der Holzwärter keine Zeit hatte, die Flinte an die Wange zu legen, ehe er weg war.
    Dem Holzwärter blieb nichts weiter übrig, als hinterher zu laufen, und als er an das Moor kam, sah er den Hund auf einem Grasbüschel
     einige Ellen vom Ufer entfernt stehen und aus Leibeskräften heulen. Der Holzwärter hielt es für seine Pflicht, nachzusehen,
     was das wohl bedeuten könne, er stellte die Flinte hin und kroch auf allen Vieren auf das Moor hinaus. Er war noch nicht weit
     gekrochen, als er eine Elchkuh sah, die im Moor lag und tot war. Dicht neben der Kuh lag ein kleines Kalb. Das war noch

Weitere Kostenlose Bücher