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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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habe ich seit so vielen Jahren
     in guter Nachbarschaft mit den schwarzen Ratten gelebt, daß ich keine Lust habe, auf demselben Hause zu wohnen, in dem ihre
     Feinde sich eingenistet haben.«
    Akka begriff nun, daß der Storch so erbittert über die Handlungsweise der grauen Ratten war, daß er sie aufgesucht hatte,
     um sich über sie zu beklagen. Aber nach gewohnter Storchenart hatte er nichts getan, um dem Unglück vorzubeugen. »Haben Sie
     den schwarzen Ratten einen Boten geschickt, Herr Langbein?« fragte sie. – »Nein,« erwiderte der Storch, »was hätte das auch
     nützen können? Ehe sie nach Hause kommen, ist die Burg ja schon genommen.« – »Das dürfen Sie nicht so unbedingt glauben, Herr
     Langbein,« sagteAkka. »Ich kenne eine alte wilde Gans, die so eine Schandtat gern verhindern würde.«
    Als Akka das sagte, erhob der Storch den Kopf und machte große Augen. Und das war nicht zu verwundern, denn die alte Akka
     hatte weder Schnabel noch Krallen, die zum Kampfe taugten. Außerdem war sie ein Tagvogel, und sobald es dunkel wurde, fiel
     sie unfehlbar in Schlaf, wahrend die Ratten gerade des Nachts kämpften.
    Aber Akka hatte sich offenbar entschlossen, den schwarzen Ratten zu helfen. Sie rief Yksi von Bassijaure zu sich heran und
     befahl ihm, die Gänse nach dem Vombsee hinaufzuführen, und als die Gänse Einwände erhoben, sagte sie sehr bestimmt:
    »Ich glaube, es ist das beste, wenn ihr mir alle gehorcht. Ich muß nach dem großen steinernen Haus hinfliegen, und wenn ihr
     mich begleitet, läßt es sich nicht vermeiden, daß die Leute auf dem Hofe uns sehen und uns niederschießen. Der einzige, den
     ich mit auf die Reise nehmen will, ist Däumling. Er kann mir von großem Nutzen sein, weil er gute Augen hat und sich des Nachts
     wach halten kann.«
    Der Junge hatte gerade seinen eigensinnigen Tag, und als er hörte, was Akka sagte, streckte er sich, um so groß wie möglich
     zu sein und ging, die Hände auf dem Rücken und die Nase in der Luft, auf sie zu, um zu sagen, daß er wahrhaftig nicht behilflich
     sein wolle, die grauen Ratten zu schlagen. Sie möge sich anderweitig nach Hilfe umsehen.
    Aber in demselben Augenblick, als sich der Jungeblicken ließ, kam Leben in den Storch. Er hatte die ganze Zeit dagestanden, wie Störche zu stehen pflegen, mit gesenktem
     Kopf, den Schnabel gegen den Hals gepreßt. Aber nun konnte man es tief drinnen in seiner Kehle förmlich glucksen hören, als
     lache er. Blitzschnell senkte er den Schnabel, ergriff den Jungen und warf ihn vier, fünf Ellen hoch in die Luft empor. Dies
     Kunststück machte er siebenmal hintereinander, während der Junge schrie und die Gänse riefen: »Was tun Sie denn da, Herr Langbein,
     das ist doch kein Frosch! Es ist ein Mensch, Herr Langbein!«
    Schließlich jedoch setzte der Storch den Jungen ganz unbeschädigt wieder hin. Dann sagte er: »Nun fliege ich wieder nach Glimminghaus
     zurück, Mutter Akka. Alle, die da wohnen, waren sehr bekümmert, als ich von dannen zog. Die werden sich freuen, wenn ich nun
     komme und ihnen erzähle, daß die wilde Gans Akka und der Menschenknirps Däumling unterwegs sind, um sie zu erretten.«
    Bei diesen Worten streckte der Storch den Hals lang aus, schlug mit den Flügeln und sauste davon wie ein Pfeil, der von einem
     stramm gespannten Bogen fliegt. Akka begriff sehr wohl, daß er sich lustig über sie machte, aber davon ließ sie sich nicht
     anfechten. Sie wartete, bis der Junge seine Holzschuhe gefunden, die ihm der Storch abgeschüttelt hatte; dann setzte sie ihn
     auf ihren Rücken und flog hinter dem Storch drein. Und der Junge leistete keinen Widerstand und sagte kein Wort davon, daß
     er nicht mitwolle. Er war so wütend auf den Storch daß er förmlich dasaß und schnob. Derrotbeinige Bursche glaubte, daß er zu nichts zu gebrauchen sei, weil er klein war, aber er wollte ihm schon zeigen, was für
     ein Kerl Niels Holgersen aus Vemmenhög war.
    Wenige Augenblicke später stand Akka in dem Storchennest auf Glimminghaus. Das war ein großes und schönes Nest. Als Unterlage
     diente ihm ein Rad, und darauf lagen mehrere Schichten aus Zweigen und Grassoden. Das Nest war alt, und viele Büsche und Kräuter
     hatten dort oben Wurzel geschlagen, und wenn die Storchenmutter in der runden Vertiefung mitten im Nest auf ihren Eiern saß,
     konnte sie sich nicht nur an der schönen Aussicht über einen großen Teil von Schonen erfreuen, sondern auch noch an den wilden
     Rosen und dem

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