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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Huflattich, die in ihrem Nest blühten.
    Der Junge wie auch Akka sahen sofort, daß hier etwas vor sich ging, was die gewöhnliche Ordnung der Dinge auf den Kopf stellte.
     Auf dem Rande des Storchennestes saßen nämlich zwei Horneulen, ein alter, graugestreifter Kater und ein Dutzend uralter Ratten
     mit schiefen Zähnen und rinnenden Augen. Es waren nicht gerade solche Tiere, wie man sie gewöhnlich friedlich beieinander
     sitzen sieht.
    Keins von ihnen wandte sich um und sah Akka an oder hieß sie willkommen. Die hatten keinen andern Gedanken als auf einige
     lange, graue Streifen hinabzustarren, die hier und da auf den winterkahlen Feldern sichtbar wurden.
    Alle schwarzen Ratten verhielten sich still. Man konnte ihnen ansehen, daß sie in tiefe Verzweiflungversunken waren und sehr wohl wußten, daß sie weder ihr eigenes Leben noch die Burg zu verteidigen vermochten. Die beiden
     Eulen saßen da und rollten mit ihren großen Augen, drehten ihre Augenkränze und sprachen mit unheimlicher, heiserer Stimme
     von der großen Grausamkeit der grauen Ratten, um deretwillen sie nun aus ihrem Nest fliehen mußten, denn sie hatten gehört,
     daß sie weder Eier noch Junge schonten. Der alte gestreifte Kater war überzeugt, daß die grauen Ratten ihn totbeißen würden,
     und er schalt ununterbrochen auf die schwarzen Ratten: »Wie konntet ihr nur so dumm sein, eure besten Streitkräfte von dannen
     ziehen zu lassen!« sagte er. »Ihr müßt doch wissen, daß auf die grauen Ratten kein Verlaß ist! Das ist ganz unverzeihlich.«
    Die zwölf schwarzen Ratten erwiderten kein Wort, aber der Storch konnte es trotz seiner Betrübnis nicht lassen, Kurzweil mit
     dem Kater zu treiben: »Du brauchst nicht bange zu sein, Kater Murr!« sagte er. »Siehst du denn nicht, daß Mutter Akka und
     Däumling gekommen sind, um die Burg zu retten? Du kannst sicher sein, daß es ihnen gelingt. Ich muß mich jetzt hinstellen
     und schlafen, und das tue ich mit der größten Ruhe. Wenn ich morgen aufwache, ist, weiß Gott, nicht eine einzige Ratte mehr
     in Glimminghaus.«
    Der Junge blinzelte Akka zu und machte ein Zeichen, daß er den Storch vom Dach herunterstoßen wollte, wenn er sich nun zum
     Schlafen auf ein Bein am äußersten Rande des Nestes aufstellte, aber Akka hielt ihn davon zurück: »Es sähe schlimm aus, wenn
     jemand,der so alt ist wie ich, nicht größere Schwierigkeiten wie diese überwinden könnte. Wenn nur der Eulenvater und die Eulenmutter,
     die sich die ganze Nacht wach halten können, mit einer Botschaft von mir ausfliegen wollten, so denke ich, kann noch alles
     gut gehen.«
    Die beiden Horneulen waren bereit, und dann bat Akka den Eulenvater, die von dannen gezogenen schwarzen Ratten aufzusuchen
     und ihnen den Rat zu erteilen, so schnell wie möglich heimzukehren. Die Eulenmutter sandte sie zu Flammea, der Turmeule, die
     im Dom zu Lund wohnte, mit einem Auftrag, der so geheimnisvoll war, daß Akka ihn ihr nur mit flüsternder Stimme anzuvertrauen
     wagte.
Der Rattenfänger.
    Es ging schon stark auf Mitternacht, als die grauen Ratten nach vielem Suchen endlich eine Kellerluke fanden, die offen stand.
     Sie saß ziemlich hoch in der Mauer, aber die Ratten krochen eine auf die Schultern der andern, und es wahrte nicht lange,
     bis die mutigste von ihnen in der Luke saß, bereit, in Glimminghaus einzudringen, vor dessen Mauern so viele ihrer Vorfahren
     hatten ins Gras beißen müssen.
    Die graue Ratte blieb eine Weile ganz still in der offenen Luke sitzen und wartete, daß sie angegriffen wurde. Freilich war
     das Hauptheer der Verteidiger fort, aber sie dachte sich, daß die schwarzen Ratten, die noch in der Burg waren, sich nicht
     ohne Kampf ergebenwürden. Mit klopfendem Herzen lauschte sie auf das geringste Geräusch, aber alles war still. Da faßte der Anführer der grauen
     Ratten Mut und sprang in den stockdunklen Keller hinab.
    Eine graue Ratte nach der andern folgte dem Anführer. Sie waren alle ganz still, und sie waren alle darauf vorbereitet, daß
     die schwarzen Ratten irgendwo im Hinterhalt lagen. Erst als so viele von ihnen in den Keller eingedrungen waren, daß der Fußboden
     nicht mehr aufnehmen konnte, wagten sie sich weiter.
    Obwohl sie nie zuvor in dem Gebäude gewesen waren, machte es ihnen keine Schwierigkeit, den Weg zu finden. Sie entdeckten
     sehr bald die Gänge in den Mauern, die die schwarzen Ratten benutzt hatten, um in die oberen Stockwerke zu gelangen. Ehe sie
     anfingen, diese

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