Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil
entgegnete die Frau des Hauses, ›du kannst jetzt tun,
was du willst. Setze dich hier auf die Bank, dann will ich dir einen Willkommtrunk holen.‹
Das Riesenweib nahm nun ein gewaltiges Methorn und ging damit in den hintersten Winkel der Stube, wo das Metfaß lag. Auch
das erschien dem Gast nicht besonders groß, aber als das Weib den Spund herauszog, stürzte der Met mit einem Brausen in das
Methorn, als sei ein ganzer Wasserfall in die Stube gekommen. Das Horn war bald gefüllt, aber als nun das Weib den Spund wieder
in die Tonne stecken wollte, gelang ihr das nicht. Der Met brauste mit großer Kraft heraus, riß ihr den Spund aus der Hand
und strömte auf den Estrich. Das Riesenweib machte abermals einen Versuch, den Zapfen einzustecken, aber es mißlang ihr wieder.
Da rief sie den Fremden zu Hilfe: ›Siehst du nicht, daß mir der Met ausläuft, Handfest? Komm doch her und steck den Spund
in die Tonne hinein!‹ Der Gast eilte sofort zu Hilfe. Er nahm den Spund und versuchte, ihn in das Spundloch hineinzuzwingen,
aber der Met riß ihn wieder heraus, schleuderte ihn weit weg und überschwemmte den Estrich.
Handfest versuchte es einmal über das andere, aber es wollte ihm nicht gelingen, und er warf den Spund weg. Der ganze Fußboden
war jetzt voller Met, und damit man doch wenigstens in der Stube sein könne, zog der Fremde tiefe Furchen, in denen der Met
fließen konnte. Er bildete Wege für den Met in den harten Felsengrund, so wie die Kinder im Frühling Wege für das Schneewasser
in den Sand ziehen, und da und dort stampfte er mit dem Fuß tiefe Löcher, in denen sich die Flüssigkeit ansammeln konnte.
Das Riesenweib stand währenddessen ruhig da und sah zu, und hätte der Gast zu ihr aufgesehen, würde er entdeckt haben, daß
sie der Arbeit mit Staunen und Entsetzen zusah. Als er aber endlich fertig war, sagte sie spöttisch: ›Hab' Dank, Handfest!
Ich sehe, du tust, was du kannst. Mein Mann hilft mir sonst, den Spund wieder hineinzustecken, aber man kann ja nicht verlangen,
daß alle so stark sind, wie er. Wenn du nicht dazu imstande bist, meine ich, es wäre am besten, wenn du gleich deiner Wege
gingest.‹
›Ich gehe nicht, ehe ich mein Anliegen vorgebracht habe,‹ sagte der Fremde, aber er sah beschämt und niedergeschlagen aus.
– ›Dann setze dich auf die Bank da,‹ sagte das Weib, ›ich will den Kessel aufs Feuer setzen und dir eine Grütze kochen.‹
Das tat die Hausfrau. Als aber die Grütze fast fertig war, wandte sie sich nach dem Gast um. ›Ich sehe eben, daß ich fast
kein Mehl mehr habe, so daß ich die Grütze nicht dick genug bekommen kann. Glaubst du, daß du Kräfte genug hast, die Mühle
zu drehen, die neben dir steht? Nur ein paarmal herum. Es ist Korn zwischen denSteinen. Aber du mußt deine ganze Kraft dransetzen, denn die Mühle geht nicht leicht.‹
Der Gast ließ sich nicht lange bitten, sondern versuchte, die Handmühle zu drehen. Er fand nicht, daß sie besonders groß war,
als er aber den Griff erfaßte und den Stein rund herum drehen wollte, ging sie schwer, daß er sie nicht bewegen konnte. Er
mußte alle Kräfte anspannen und war doch nicht imstande, die Mühle mehr als einmal herumzudrehen.
Das Riesenweib sah ihm stumm und staunend zu, während er arbeitete. Als er aber die Mühle losließ, sagte sie: ›Ich bin ja
freilich an bessere Hilfe von meinem Manne gewöhnt, wenn die Mühle schwer geht. Aber niemand kann von dir verlangen, daß du
mehr tust als wozu deine Kräfte ausreichen. Kannst du jetzt aber nicht einsehen, daß es am besten für dich wäre, wenn du es
vermiedest mit dem zusammenzutreffen, der so viel, wie er will, auf dieser Mühle mahlen kann?‹ – ›Ich glaube, daß ich trotzdem
auf ihn warten will,‹ sagte Handfest ganz still und sanftmütig. – ›Ja, dann setze dich ruhig auf die Bank da, während ich
dir ein gutes Bett bereite,‹ sagte das Riesenweib, ›denn du wirst wohl die Nacht hier bleiben müssen.‹
Sie richtete ein Bett mit vielen Kissen und Pfählen her und wünschte dem Gast gute Nacht. ›Ich fürchte, du wirst das Bett
ziemlich hart finden,‹ sagte sie, ›aber mein Gatte liegt jede Nacht auf einem solchen Lager.‹
Als sich Handfest nun in dem Bett ausstrecken wollte, spürte er so viele Unebenheiten und Vertiefungen unter sich, daß an
Schlaf nicht zu denken war; er drehte undwendete sich, konnte aber keine Ruhe finden. Schließlich warf er alle Kissen aus dem
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