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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Zaubermittel anzuwenden,‹ sagte
     der Riese. ›Ich kann hören, daß er die Pforte öffnet und den Hof betritt!‹ – ›Dann will ich dir raten, daß du dich verborgen
     hältst, so daß ich ihn allein in Empfang nehmen kann,‹ sagte das Riesenweib schnell. ›Ich will mein Bestes tun, daß er nicht
     sobald wiederkommt.‹
    Der Riese fand, daß dies ein außerordentlich guter Vorschlag war. Er ging in die Kammer, während die Frau in der guten Stube
     auf der Frauenbank sitzen blieb und so ruhig spann, als ahne sie keine Gefahr.
    Man muß nun wissen, daß es in jenen Zeiten in Jämtland ganz anders aussah als heutigen Tages. Dasganze Land war nichts weiter als eine einzige große, flache Hochebene, die so kahl und nackt dalag, daß nicht einmal Tannenwald
     darauf wachsen konnte. Da war kein See, kein Fluß, da gab es keine Felder, in denen der Pflug gehen konnte. Nicht einmal die
     Berge und Felsenmassen, die jetzt über das ganze Land zerstreut liegen, waren zu jenen Zeiten da; sie standen alle weit weg,
     drüben im Westen aufgestellt. Menschen konnten nirgends in dem großen Lande leben, aber die Riesen fühlten sich dort um so
     wohler. Es war wohl kaum ohne ihren Willen und ihr Zutun, daß das Land so öde und ungastlich dalag, und es hatte sicher seine
     guten Gründe, wenn der Bergriese so beunruhigt wurde, als er Asa-Thor auf sein Haus zukommen sah. Er wußte, daß die Asen denen
     nicht hold waren, die Kälte, Finsternis und Öde um sich verbreiteten und die Erde hinderte, reich und fruchtbar zu werden
     und sich mit menschlichen Wohnungen zu schmücken.
    Das Riesenweib brauchte nicht lange zu warten, denn draußen vor dem Hause ertönten feste Schritte, und der Wanderer, den der
     Riese auf dem Wege gesehen hatte, riß die Tür auf und trat in die Stube. Der Fremde blieb nicht an der Tür stehen, wie die
     umherziehenden Leute zu tun pflegen, sondern er ging geradeswegs auf die Frau zu, die im Innern der Stube an der Giebelwand
     saß. Es begab sich aber so, daß, als er glaubte, er sei ein gutes Stück gegangen, er nicht weiter als ein paar Schritte von
     der Tür entfernt war und noch eine lange Strecke bis zu der Feuerstätte hatte, die mitten in der Stube lag. Er machte längere
     Schritte, aber als er eine Weile gegangen war, wollte es ihm scheinen, als seien das Riesenweib unddie Feuerstätte noch weiter von ihm entfernt als bei seinem Eintritt in die Stube. Anfangs war ihm das Haus gar nicht groß
     vorgekommen. Erst als er endlich bis an die Feuerstätte gelangt war, wurde es ihm so recht klar, wie ansehnlich es war, denn
     da war er so müde, daß er sich auf seinen Stab stützen mußte, um auszuruhen. Als das Riesenweib sah, daß er stehen blieb,
     legte sie ihre Spindel hin, erhob sich von der Bank und war mit wenigen Schritten neben ihm. ›Wir Riesen lieben große Stuben,‹
     sagte sie, ›und mein Mann klagt oft darüber, daß es hier so beengt ist. Aber ich kann wohl begreifen, daß es für jemand, der
     keine längeren Schritte machen kann als du, anstrengend ist, durch die Riesenstube zu gehen. Laß mich jetzt hören, wer du
     bist und was du von uns Riesen willst.‹ Es schien fast, als wolle der Wanderer eine heftige Antwort geben, aber augenscheinlich
     wollte er sich nicht mit einer Frau auf Streit einlassen, denn er erwiderte ganz ruhig: ›Mein Name ist Handfest, und ich bin
     ein Recke, der bei vielen Abenteuern mit dabei gewesen ist. Jetzt habe ich das ganze Jahr daheim auf meinem Hof gesessen,
     und ich hatte mich schon gefragt, ob da denn nie mehr etwas für mich zu tun sein würde, als ich die Menschen darüber reden
     hörte, daß ihr Riesen so schlecht für das Land hier oben sorgtet, daß niemand als ihr hier wohnen könnt. Ich bin nun gekommen,
     um mit deinem Mann über diese Sache zu reden und ihn zu fragen, ob er sich nicht darum kümmern will, daß hier bessere Ordnung
     geschafft wird.‹
    ›Mein Mann ist auf Jagd gegangen,‹ sagte das Riesenweib, ›und er muß dir selbst Antwort auf deine Fragegeben, wenn er nach Hause kommt. Aber ich will dir doch sagen, daß wer mit solchen Fragen zu einem Bergriesen kommt, wahrlich
     ein größerer Mann sein sollte als du. Es wäre sicher am besten für deine Ehre, wenn du gleich wieder deiner Wege gingest,
     ohne mit dem Riesen zu reden.‹ – ›Nein, jetzt, wo ich einmal gekommen bin, will ich auch auf ihn warten,‹ sagte der Mann,
     der sich Handfest nannte. – ›Ich habe dir nach bestem Wissen geraten,‹

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