Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil
Bett, einen Pfühl hierhin und ein Federbett
dahin, und dann schlief er ruhig bis zum Morgen.
Als die Sonne aber durch das Dach der Hütte schien, stand er auf und verließ das Haus der Riesen. Er ging über den Hofplatz
und durch die Pforte, die er hinter sich schloß. Im selben Augenblick stand das Riesenweib neben ihm: ›Ich sehe, du hast die
Absicht von dannen zu gehen, Handfest,‹ sagte sie. ›Das ist auch sicher das klügste, was du tun kannst.‹ – ›Wenn dein Mann
in einem solchen Bett schlafen kann, wie du es mir für diese Nacht bereitet hast,‹ entgegnete Handfest mürrisch, ›so liegt
mir nichts daran, mit ihm zusammenzutreffen. Er muß ein Mann von Eisen sein, den niemand zu überwinden vermag.‹
Das Riesenweib stand an die Pforte gelehnt da. ›Jetzt, wo du von meinem Hof herunter bist, Handfest,‹ sagte sie, ›will ich
dir doch sagen, daß deine Reise zu uns Riesen hinauf nicht so ganz unehrenvoll gewesen ist, wie du selbst zu glauben scheinst.
Es war nicht zu verwundern, daß du den Weg durch unsere Stube lang fandest, denn du mußtest über die ganze Hochebene, die
Jämtland genannt wird, gehen. Auch war es nicht zu verwundern, daß es dir schwer wurde, den Spund in die Tonne zu stecken,
denn all das Wasser, das aus den Schneebergen herabgebraust kommt, strömte dir entgegen. Und als du das Wasser über unsern
Estrich hinleitetest, schufst du Furchen und Vertiefungen, die jetzt zu Flüssen und Seen geworden sind. Es war auch kein geringer
Beweis von deiner Kraft, den du liefertest, als du die Mühle einmal herumdrehtest,denn zwischen den Steinen lag nicht Korn, sondern Kalkstein und Schiefer und mit der einen Drehung mahltest du so viel, daß
die ganze Hochebene mit guter, fruchtbarer Erde bedeckt ist. Daß du nicht in dem Bett liegen konntest, das ich dir bereitet
hatte, verwundert mich ebenfalls nicht, denn ich hatte dich auf große, eckige Berggipfel gebettet. Die hast du nun über das
halbe Land hingeschleudert, und es mag wohl sein, daß dir die Menschen dafür nicht so dankbar sind wie für das andere, was
du getan hast. Ich sage dir nun Lebewohl, und ich verspreche dir, daß mein Mann und ich von hier fortgehen werden, an einen
Ort, wo du uns nicht so leicht besuchen kannst.‹
Der Wandersmann hörte dies alles mit wachsendem Zorn an, und als das Riesenweib geendet hatte, griff er nach einem Hammer,
den er im Gürtel trug. Ehe er ihn aber noch erhoben hatte, war das Weib verschwunden und wo das Haus der Riesen gelegen hatte,
sah man nichts als die graue Felsenwand. Zurückgeblieben aber waren die mächtigen Flüsse und Seen, denen er Platz auf der
Hochebene geschaffen, sowie die fruchtbare Erde, die er gemahlen hatte. Zurückgeblieben waren auch die herrlichen Berge, die
Sämtland seine Schönheit verleihen, und die allen, die sie besuchen, Kraft, Gesundheit, Freude, Mut und Lebenslust schenken.
So glaube ich denn, daß von allen Taten Asa-Thors keine rühmenswerter ist als die, welche er in jener Nacht vollbrachte, als
er Felsenmassen hinausschleuderte von den Frostvigbergen im Norden bis zu dem Helagsberg im Süden, von den Oviksbergen jenseits
des Storsös bis zu den Sylarn an der Reichsgrenze.«
XLVI. Die Sage vom Härjetal
Dienstag, 4. Oktober.
Niels Holgersen wurde unruhig, weil die Reisenden so lange auf dem Aussichtsturme blieben. Der Gänserich Martin konnte nicht
kommen und ihn abholen, solange sie da waren, und er wußte ja, daß die Wildgänse Eile hatten, gen Süden zu ziehen. Mitten
während der Geschichte war es ihm, als höre er Gänsegeschnatter und starke Flügelschläge, ganz so, als seien es die wilden
Gänse, die davonflogen. Aber er wagte nicht, an die Rampe zu treten, um zu sehen, wie es sich verhielt.
Als die Gesellschaft endlich gegangen war, so daß sich der Junge aus seinem Versteck hervorwagen konnte, sah er unten an der
Erde keine Wildgänse, und es kam kein Gänserich Martin, ihn zu holen. So laut er konnte, rief er: »Wo bist du? hier bin ich!«
aber die Reisegefährten ließen sich nicht blicken. Es kam ihm auch nicht einen Augenblick in den Sinn, daß sie ihn verlassen
hatten, aber er fürchtete, daß ihnen ein Unglück zugestoßen sei, und er stand da und überlegte, was er anfangen solle, um
sie ausfindig zu machen, als sich der Rabe Bataki neben ihm niederließ.
Nie hatte der Junge gedacht, daß er Bataki jemals mit einem so freudigen Willkommen begrüßen würde, wie er es jetzt
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