Niemand hört dich schreien (German Edition)
betraten das warme Haus. Das Wohnzimmer war konventionell eingerichtet, durchsichtige Schutzfolie bedeckte die Sitzmöbel. Auf dem glänzenden Couchtisch stand ein staubiger Aktenständer. Eine Akte lag aufgeschlagen auf dem Tisch.
Houseman schloss die Tür. »Setzen Sie sich. Nach Ihrem Anruf habe ich die Akten hervorgeholt. Hab nicht lange gebraucht, um meine Erinnerung an den Fall wieder aufzufrischen.«
Jacob war nervös und hätte sich lieber nicht gesetzt, aber er und Kier nahmen pflichtschuldig gegenüber der Couch Platz. Houseman nahm eine Lesebrille vom Tisch und setzte sie auf. »Ich werde Ihre Zeit nicht mit Small Talk vergeuden.«
»Danke«, sagte Jacob.
»Ich weiß noch, wie es ist, wenn man unter Druck ermittelt.« Er schaute in die Akte. »Elijah und Delia Turner heirateten Ende der siebziger Jahre. Für sie war es die erste Ehe, für ihn die zweite. Er arbeitete als Theologieprofessor am College, und sie blieb zu Hause bei den Kindern. Innerhalb von zehn Jahren bekamen sie fünf Töchter. Außerdem war da noch ein Sohn.«
»Ein Sohn?«, fragte Jacob.
»Ja. Aus Turners erster Ehe. Die Frau war in der Highschool schwanger geworden, und er wollte sich ihr gegenüber anständig verhalten. Aber die Ehe war nicht glücklich. Seine erste Frau war nicht besonders ausgeglichen, und nachdem sie vier Jahre verheiratet waren, verließ er sie. Er zahlte Unterhalt für sein Kind, aber er besuchte den Jungen nicht oft.« Houseman trank einen Schluck Kaffee. »Als Turner zum zweiten Mal heiratete, war der Junge etwa sechs. Wie die Nachbarn erzählten, ermunterte Frau Nummer zwei ihren Mann, den Jungen in ihr gemeinsames Leben einzubeziehen, also tat er es. Allen war ein stiller Junge, aber offenbar genoss er seine Besuche bei der neuen Familie. Und er soll seine Schwestern vergöttert haben. Besonders die Zweitjüngste, Eve.«
Jacob beugte sich auf seinem Stuhl vor. »Wie hießen die Mädchen?«
»Ruth, Judith, Rachel, Eve und Sarah.«
Jacob atmete hörbar aus. Auf den Anhängern waren die Vornamen der Mädchen eingraviert. »Was ist dann passiert?«
»Soweit wir es rekonstruieren konnten, erwischte Delia Allen mit den beiden ältesten Schwestern im Gartenhäuschen. Die Mädchen waren nur halb bekleidet. Delia rastete völlig aus. Sie sagte zu Allen, er dürfe sie nie wieder besuchen.«
»Und ihr Mann war einverstanden?«, fragte Zack.
»Delias Nachbarin zufolge ja. Er hatte den Jungen sowieso nie dort haben wollen. Er erinnerte ihn an all die Fehler, die er begangen hatte. Also brachte er Allen zu seiner Mutter zurück und erklärte ihr, der Junge sei fortan bei ihnen nicht mehr willkommen.«
»Wie alt war Allen damals?«
»Sechzehn.« Houseman blätterte in seinen Papieren. »Hier ist ein Foto, das kurz vor dem Mord an Elijah und Delia gemacht wurde.«
Das Familienfoto zeigte Mutter, Vater, den ältesten Sohn und fünf Töchter.
Jacob sog scharf die Luft ein. »Sieh dir die Mädchen an. Die Älteste muss Jackie White sein, dann kommt Vicky und dann Amanda. Der Säugling muss Adrianna sein, und das Kleinkind neben ihr ist Kendall.«
»Und der Sohn ist unser Mörder«, ergänzte Zack.
Houseman seufzte. »Ich habe von den aktuellen Morden gelesen, aber die Namen waren anders, und es ist so lange her. Ich habe keine Verbindung gesehen.«
»Das hätten Sie auch gar nicht gekonnt«, meinte Jacob. »Die Namen auf den Anhängern wurden nie publik gemacht.«
Houseman runzelte die Stirn. »Niemand hat gemerkt, wie sehr die Geschichte Allen Turner mitnahm. Eine Woche später stahl er ein Auto und kehrte zum Haus der Turners zurück. Er nahm ein Küchenmesser und erstach im Garten als Erstes Elijah. Anscheinend sah Delia das und versteckte die beiden jüngsten Kinder in einem Schrank. Sie hatte keine Zeit mehr, die anderen drei zu suchen. Er tötete sie in der Küche, als sie gerade die Polizei rufen wollte. Der zweitältesten Tochter zerschnitt er die Hand, als sie sich wehrte.«
»Vicky«, sagte Jacob. »Das erklärt die alte Wunde, die der Pathologe gefunden hat.« Kendalls Traum war überhaupt kein Traum gewesen, sondern eine verdrängte Erinnerung.
»Er hätte die älteren Mädchen auch umgebracht, wenn nicht ein Nachbar dazwischengegangen wäre. Der Mann kam mit einem Baseballschläger und schlug dem Jungen das Messer aus der Hand. Er hat ihm wahrscheinlich die Hand gebrochen. Aber Allen konnte fliehen. Er und seine Mutter verschwanden.«
»Und sie sind nie gefunden worden.«
Houseman schüttelte
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