Niemand ist ohne Schuld - Dark village ; 3
wirklich schlecht um sie gestanden, aber mit einem Mal war es ihr plötzlich viel, viel besser gegangen. Sie hatten nach Wolffs Untersuchung â dem man ja, wie sich herausgestellt hatte, nicht mal ansatzweise glauben konnte â keinen anderen Arzt mehr gerufen. Genau genommen wussten sie also immer noch nicht, was ihr eigentlich gefehlt hatte. Werner und Sigrid sagten, sie würden einen Termin bei einem Spezialisten in einer Klinik machen. Nick fragte sich, worauf der Spezialist wohl spezialisiert war.
Schnell ging er die SchotterstraÃe entlang. Es war eine ganze Ecke bis ins Zentrum und er würde zu spät kommen. Er zog das Handy aus der Tasche und schrieb im Gehen eine SMS: Komme 10 min später. Sorry.
Es war Viertel vor sechs und immer noch hell und warm, aber Nick wusste, dass es gegen halb neun, wenn die Sonne langsam unterging, kühl werden würde. Er überlegte, was er mit Nora unternehmen sollte. Sie könnten ins Kino gehen, aber er hatte so wenig Geld â es war wirklich Zeit, dass er sich einen Job besorgte â, und es kam überhaupt nicht in die Tüte, dass Nora ihn einlud. Halbe-halbe, das ging gerade noch, aber mehr war nicht drin.
Sein Handy kündigte eine neue Nachricht an. Sie war von Nora. Ein Smiley und O.k., ich freu mich! Nick steckte das Telefon ein und legte einen Schritt zu.
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Es ging schneller als erwartet. Er sah auf die Uhr an seinem Handy. Nur fünf Minuten zu spät. An der Kreuzung bog er rechts ab und da sah er Nora schon. Sie wartete am 7 Eleven in der Nähe der Schule.
âHallo!â, rief sie.
Schnell ging er auf sie zu und küsste sie leicht auf den Mund, dann trat er einen Schritt zurück und betrachtete sie.
Der Rock, der ihr bis kurz über die Knie reichte, stand ihr sehr gut. Ihre Beine waren schön braun. Er sah sie ein paar Sekunden länger an als gewöhnlich und sie lachte. Er wandte den Blick ab und sie hakte sich bei ihm ein.
Nora schlug vor, in den Park bei der alten Mühle zu gehen.
âJa, das klingt gutâ, sagte Nick und war erleichtert, dass sie nichts vorschlug, was Geld kostete.
Die Mühle war eigentlich ein altes Fabrikgebäude aus dem vorigen Jahrhundert. Vor zehn Jahren war das Gebäude renoviert worden und seitdem Dypdals schickste Büroadresse. Drum herum war ein schöner, groÃer Park mit Bänken und verschlungenen Wegen, Blumen und zurechtgestutzten Bäumen. An den Wochenenden wimmelte es hier von Liebespaaren. Aber heute war Dienstag, und als sie zum Park kamen, standen nur vier oder fünf Autos auf dem Firmenparkplatz. Im Park war es still.
Sie gingen schweigend eng umschlungen spazieren. Nora hielt ihn ein bisschen fester als sonst, fand er.
Aber Nick hatte Probleme, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Katie und die FuÃballkarten und alles, was in den letzten vierundzwanzig Stunden wieder hochgekommen war, spukten ihm noch im Kopf herum.
Natürlich war es immer irgendwie da gewesen. Es war nichts Neues, dass er daran dachte. Aber die Gedanken waren plötzlich so mächtig geworden. Er durchlebte die ganze Sache wieder aufs Neue, und es fühlte sich genauso real an wie damals, als es passierte. Er bekam die Erinnerungen nicht unter Kontrolle, sie griffen ihn einfach an und übernahmen die Führung.
Ob es an den Karten lag, die er im Secondhandladen gefunden hatte? Oder hatte etwas anderes die Vergangenheit wieder so lebendig werden lassen?
Er hatte das unbestimmte, aber doch klare Gefühl, dass da noch was anderes sein musste als die FuÃballkarten. Vielleicht hatte er unbewusst irgendwas gesehen oder gehört. Aber er konnte sich nicht daran erinnern. Nicht deutlich, jedenfalls.
âHm?â Er schrak auf. Nora hatte etwas zu ihm gesagt, aber er hatte keine Ahnung, was.
âSchon gutâ, sagte Nora. âNichts. Aber ⦠ist irgendwas?â
âNee, neeâ, sagte Nick. âWieso?â
âIch meine ⦠denkst du nach?â
âKlarâ, sagte Nick, âlogisch denke ich nach, aber â¦â
âIst irgendwas nicht in Ordnung?â
âNein ⦠Nicht in Ordnung?â
âIch meine, ist mit uns ⦠was nicht in Ordnung?â
âÃhm.â Nick räusperte sich. âMit uns?â
Das ging ja total nach hinten los. Wie war er denn in dieses Gespräch geraten? Das war vollkommen daneben! Das war Schlussmach-Gerede! Was sollte denn nicht in Ordnung
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