Niemand ist ohne Schuld - Dark village ; 3
Freundschaft, mehr als ich finde dich nett. Vielleicht fühlte Charlene genauso wie sie?
Vilde schloss die Haustür auf und kickte sich die Schuhe von den FüÃen. Ihr Atem ging schnell und heftig, als bekäme sie nicht genug Luft. Ihr Hals schnürte sich zu und in ihrem Kopf pochte es. Sie wusste, dass etwas passieren würde. Dieser Moment konnte alles verändern.
Geh rein und sag es! Geh rein und frag! Geh ins Wohnzimmer und ergreife die Gelegenheit!
Aber sie schaffte es nicht. Sie konnte nicht. Der Schmerz in ihrem Inneren war zu groÃ. Da war Trine, die Verliebtheit, die nie hatte wachsen dürfen, der Verlust, den sie einfach nicht begreifen konnte. Und die Liebe ⦠Die verstand sie auch nicht.
Sie stürmte die Treppe hoch und ging in ihr Zimmer. Ihre Hände zitterten, als sie den Kleiderschrank öffnete. Sie durchwühlte die Klamotten, die zusammengefaltet im obersten Fach lagen, fand endlich, was sie suchte, und verlieà den Raum, lief den Flur entlang zum Bad und schlüpfte durch die Tür.
Sie stand mitten im Bad und rang nach Luft. Sie zwang sich, ruhiger zu werden. Sie wusste, dass sie sich beeilen musste. Charlene würde neugierig werden, vielleicht kam sie hoch, um nach ihr zu sehen.
5
Charlene sah auf die Uhr. Zehn Minuten war es her, seit sie gehört hatte, dass Vilde oben ins Badezimmer gegangen war. Es war totenstill.
Charlene stand auf und ging in die Küche. Das Bad lag direkt darüber. Sie lauschte mit schräg gelegtem Kopf, den Blick an die Decke geheftet.
Nichts.
Normalerweise wäre Charlene das vielleicht nicht aufgefallen, aber es war ja längst nichts mehr normal, spätestens seit ihr Vilde blutend in die Arme gefallen war.
Charlene lief in den Flur und stieg die Treppe hoch. Ihr Mund war ganz trocken. Ich hätte früher nach oben gehen sollen, dachte sie. Warum hatte sie so lange gewartet? Zehn Minuten!
Schnell warf sie einen Blick in Vildes Zimmer. Ja, es war, wie sie vermutet hatte. Vilde war nicht dort. Sie steuerte auf das Bad am Ende des Flurs zu. Die Tür war geschlossen.
Sie klopfte. âVilde?â
Keine Antwort. Drinnen herrschte immer noch totale Stille. Charlene klopfte jetzt lauter und rief: âVilde!â Sie hörte, wie ihre Stimme kippte.
Keine Reaktion.
Sie drückte die Klinke herunter und schrak überrascht zurück, als sich die Tür widerstandslos öffnete.
Please. Jesus Christ. This one thing ⦠You can give me this one thing!
Zentimeter für Zentimeter glitt die Tür auf und gab den Blick ins Bad frei. Der Boden war leer, bis auf Vildes Pulli, aber sonst nichts, nichts.
Keine Vilde. Wo war sie? Was war passiert?
Die Tür stand jetzt sperrangelweit auf. Charlene betrat das Badezimmer, beugte sich nach dem Pulli auf dem Boden und da entdeckte sie Vilde.
âOh no.â Charlene japste. âBaby, no, no.â
Sie ging neben der Badewanne in die Knie. Vildes Körper lag zusammengesunken am Kopfende. Sie hatte eine Hose an, aber ihr Oberkörper war nackt.
Ihr Gesicht war Charlene zugewandt und ihr Mund stand halb offen. Automatisch hoffte Charlene, dass das ein Zeichen dafür war, dass Vilde atmete.
Aber ihre Augen waren geschlossen, und sie reagierte nicht, als Charlene wieder und wieder ihren Namen rief, während sie über ihre Stirn, ihr Haar und ihren Nacken streichelte.
âVilde. Vilde. Vilde!â
Charlene versuchte, Vildes Puls zu fühlen, aber sie kam nicht an ihren Hals, sie fand nicht die richtige Stelle. Und Vildes Hände waren von ihrem Körper verdeckt, sie lag vornübergebeugt, die Arme vor dem Bauch verschränkt.
Es war nass in der Wanne, kleine nasse Pfützen, wie immer, wenn jemand geduscht oder gebadet hatte. Aber es konnte auch etwas anderes sein â¦
Sie konnte nicht erkennen, ob es Wasser oder Blut oder beides war. Die Badewanne war burgunderrot. Vor dieser Farbe ist Blut kaum zu erkennen, dachte Charlene.
Sie streckte eine Hand aus und tauchte den Finger in die Flüssigkeit. Sie rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander und betrachtete sie.
Please. God. This one thing. Das bist du mir schuldig.
Dienstag/Nick
Somewhere over the rainbow
Skies are blue
And the dreams that you dare to dream
Really do come true
Over the Rainbow , Judy Garland/Eva Cassidy
1
Sie lacht, als sie sie abholt. Sie ist groà und blond und stark geschminkt. Sie trägt einen kurzen Rock und hohe Absätze und ihre
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