Niemand ist ohne Schuld - Dark village ; 3
bin klein und dünn und habe feine blonde Haare â ihre sind dunkel, dick und schwer. Sie ist eine Granate , wie einer der Pfleger immer eine Schwester genannt hat, auf die er stand. Und ich bin â¦
Mein Gehirn sucht nach einem Wort für das Gegenteil von Amy, aber es kommt nichts. Vielleicht ist das aber auch schon die Antwort: Ich bin ein leeres, langweiliges Blatt Papier.
Amy trägt ein flieÃendes, rot gemustertes Kleid mit langen Ãrmeln, aber sie hat einen davon hochgeschoben, sodass ich das Levo an ihrem Handgelenk sehen kann. Meine Augen weiten sich vor Ãberraschung: Sie wurde auch geslated. Ihr Levo ist ein älteres Modell, groà und dick im Vergleich zu meinem, das nur aus einer schmalen Goldkette mit einem kleinen Display besteht und aussehen soll wie eine Armbanduhr oder ein Armkettchen. Aber darauf fällt natürlich niemand rein.
»Ich freu mich so, dass ich jetzt eine Schwester habe«, sagt Amy, und es muss stimmen, denn auf ihrer Digitalanzeige steht 6,3.
Wir kommen zur Pforte â hier halten mehrere uniformierte Männer Wache. Einer tritt ans Auto, die anderen sehen hinter der Glasscheibe zu. Dad drückt auf ein paar Knöpfe und alle Autofenster und der Kofferraum gehen auf.
Mum, Dad und Amy ziehen ihre Ãrmel hoch und halten ihre Hände aus den Fenstern, also tue ich das Gleiche. Der Wächter schaut auf Mums und Dads leere Handgelenke und nickt, geht dann zu Amy und hält ein Ding an ihr Levo, bis es piept. Dann macht er dasselbe mit meinem Levo. Er wirft einen Blick in den Kofferraum und schlieÃt ihn wieder.
Eine Schranke geht auf und wir dürfen passieren.
»Kyla, was möchtest du heute machen?«, fragt Mum.
Mum ist rund und spitz, nein, das ist kein Scherz. Ihr Körper ist rund und weich, aber ihr Blick und ihre Worte sind spitz.
Der Wagen fährt auf die StraÃe und ich drehe mich um. Ich kenne das Krankenhaus gut, aber nur von innen. Das Gebäude ist riesig â ich sehe endlose Reihen von vergitterten Fenstern. Hohe Zäune und Türme mit Wachen, die auf und ab patrouillieren, markieren die Grenzen des Klinikgeländes. Und â¦
»Kyla, ich habe dich etwas gefragt!«
Ich schrecke hoch. »Ich weià es nicht«, sage ich vorsichtig.
Dad lacht auf. »Natürlich nicht, Kyla, keine Sorge.« Dann wendet er sich an Mum: »Kyla weià nicht, was sie unternehmen möchte, denn sie hat ja nicht einmal eine Vorstellung davon, was man unternehmen kann .«
»Also komm, Mum, das weiÃt du doch«, sagt Amy und schüttelt den Kopf. »Lasst uns direkt nach Hause fahren. Sie soll sich erst ein bisschen an alles gewöhnen, hat die Ãrztin gesagt.«
»Ja, Ãrzte wissen immer alles «, seufzt Mum, und ich kapiere, dass dieses Thema wohl schon häufiger zur Diskussion stand.
Dad schaut in den Spiegel. »Kyla, weiÃt du, dass 50 Prozent aller Ãrzte die schlechtesten Schüler ihres Jahrgangs waren?«
Amy lacht.
»Also ehrlich, David«, protestiert Mum, aber sie lächelt auch.
»Kennt ihr den Witz von dem Arzt, der links nicht von rechts unterscheiden konnte?«, beginnt Dad und zählt eine lange Liste von Operationsfehlern auf, von denen ich hoffe, dass sie nie in meinem Krankenhaus passiert sind.
Aber bald vergesse ich alles um mich herum und starre nur noch aus dem Fenster.
London .
Ein neues Bild entsteht in meinem Kopf. Das New London Hospital verliert seinen zentralen Platz in meinen Gedanken und versinkt in einem weiten Meer. StraÃen, die immer weiter und weiter führen, Autos, Gebäude â alles ist voller Leben. Zum Trocknen aufgehängte Wäsche auf Balkonen und Vorhänge, die aus Fenstern herauswehen. Ãberall: Menschen â in Autos und auf der StraÃe. Menschenmassen und Läden und Büros und immer noch mehr Menschenmassen, die in alle Richtungen strömen und die Wachleute ignorieren, die an den StraÃenecken stehen, wenn auch immer seltener, je weiter wir uns vom Krankenhaus entfernen.
Dr. Lysander hat mich oft gefragt, warum ich den Drang habe, alles zu beobachten und alles wissen zu wollen, um es mir einzuprägen und jeden Bezugspunkt und jede Position zu merken.
Doch die Antwort ist, dass ich es nicht weiÃ. Vielleicht will ich mich nicht leer fühlen. Es fehlen so viele Details, die ergänzt werden müssen.
Schon nach wenigen Tagen in der Klinik â sobald ich wieder wusste, wie man einen FuÃ
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