Night School. Der den Zweifel sät (German Edition)
wolle. Dass sie Freunde werden könnten.
Sie ließ es.
Während sie in peinlicher Stille zurück zum Schulgebäude liefen, überlegte Allie, was sie jetzt sagen sollte. Was Carter gern von ihr gehört hätte.
Ich bin dir für deine Hilfe wirklich dankbar, Sylvain – aber wir können das einfach nicht mehr machen. Carter würde das nicht verstehen, und er möchte sowieso nicht, dass ich mit dir abhänge. Oder mit dir rede. Oder dieselbe Luft atme wie du.
Doch sie sagte nur: »Danke, dass du mir geholfen hast.«
Sylvain hielt ihr die Tür auf. Seine Augen waren so blau und rätselhaft wie die blanke Oberfläche eines Sees. Und er erwiderte nur: »Gern geschehen.«
Am nächsten Morgen wachte Allie auf, bevor ihr Wecker klingelte. Als sie danach nicht wieder einschlafen konnte, richtete sie sich langsam auf. Sie spürte jeden Muskel.
Alles tat weh.
Ächzend kletterte sie aus dem Bett, legte sich ein Handtuch über die Schulter und trottete den noch ruhigen Flur entlang. Das Badezimmer war so gut wie leer, nur in einer der Duschen lief das Wasser.
Die hinterste Duschzelle war ihre liebste – sie kam ihr größer vor als die anderen, und heller.
Sie stellte ihre Hausschuhe auf die polierte Teakholzbank und hängte ihren Bademantel an den polierten Messinghaken in der mit cremefarbenen Steinfliesen gekachelten Wand. Die lange heiße Dusche lockerte ihre verspannte Muskulatur auf, und als sie nach geraumer Zeit aus der Nasszelle tappte, fühlte sie sich wieder wie sie selbst – doch sie war nicht mehr allein. An einem der Waschbecken stand ein Mädchen, in den gleichen weißen Cimmeria-Bademantel gehüllt wie Allie.
Allie suchte sich ein Becken am anderen Ende der Reihe aus, damit sie beide für sich sein konnten. Doch während sie sich im Spiegel betrachtete und gerade den Mund voller Zahnpasta hatte, sprach das Mädchen sie an.
»Entschuldigung. Bist du Allie?« Sie hatte einen französischen Akzent und eine helle, musikalische Stimme.
»Ja?« Ohne dass sie es beabsichtigt hatte, hatte sie die Antwort in eine weitere Frage verwandelt und so den Startschuss für ein Gespräch gegeben.
Die andere kam näher. Sie war sehr klein, wie Allie nun bemerkte. Kaum eins fünfzig groß und zierlich – mit riesigen braunen Augen und lachhaft langen Wimpern. Sie kam ihr seltsam vertraut vor, doch Allie wusste nicht, woher.
»Dacht ich mir’s doch.« Das Mädchen wirkte erfreut. »Sylvain hat mir so viel von dir erzählt. Ich bin übrigens Nicole.«
Allie hatte noch nie von ihr gehört – Sylvain hatte sie nie erwähnt.
»Ach ja … Ich meine … Klar«, stotterte sie. »Schön, dich kennenzulernen.«
Nicole blinzelte sie von unten an. »In seinen Briefen war so oft von dir die Rede, dass ich das Gefühl habe, dich schon zu kennen.«
Bei der ist ja sogar noch der Lidschlag schön
, dachte Allie.
Was geht hier eigentlich ab? Ist das Sylvains Freundin, oder was? Die zu erwähnen er vergessen hat? Und wenn schon, was spielt das für eine Rolle?
Sie musste sich dringend mal den Mund ausspülen.
»Gestern Abend nach dem Training wollte er noch mal nach dir schauen«, sagte Nicole. »Er meinte, du wärst ganz durcheinander. Hat er dich denn gefunden?«
Allies Wangen röteten sich.
Natürlich. Ich hab sie in der Night School gesehen. Also hat sie auch gesehen, wie ich total versagt habe.
»Ja«, antwortete sie mit fester Stimme. »Er hat mich gefunden.«
»Und er hat dir geholfen«, sagte Nicole, als könne es gar nicht anders gewesen sein.
»Er war mir eine große Hilfe«, sagte Allie steif und wandte sich ab, um ihre Sachen zusammenzusuchen. Nicole sah sie unverwandt an.
Ihr Kichern hatte etwas Musikalisches – wie Wasser, das einen Bach entlangrinnt. »Tut mir leid, dass ich dich so ohne … Vorwarnung überfalle!« Sie zog ihre kecke Nase kraus. »Es ist einfach nur nett zu wissen, wer du bist.«
»Ja, schön, dass ich dich endlich kennenlerne«, sagte Allie mit einem falschen Lächeln und eilte zur Tür hinaus. »Nachdem mir Sylvain schon so viel von dir erzählt hat.«
»Wer ist denn diese Nicole, und wieso ist die so hübsch und französisch?«, fragte Allie und sah Rachel von der Seite an.
»Ach. Das ist Sylvains Ex-und-doch-nicht-Ex. Sehr kultiviert und zum Kotzen schön«, erwiderte Rachel und fragte: »Warum?«
»Ist die im Moment gerade Ex oder Nicht-Ex?«, wollte Allie wissen.
Rachel hob fragend eine Braue. »Ex, glaub ich – aber was weiß ich? Wieso denn?«
Sie liefen gerade von
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