Die Besucher
Ein Vorwort über einen akademischen Dackel
Eines Tages bekam Ota Hofman Besuch. Der Dackel erschien unter den Büschen am Wiesenrand und marschierte gleich in die Küche des kleinen Wochenendhauses am Rande von Prag. Es muß ihm wohl gefallen haben, denn von nun an kam er jeden Tag — und ihn begleiteten drei weitere Hunde, »phantastisch häßliche Straßenköter« (Zitat Hofman). Ota nannte den Dackel »den eleganten Philipp«, denn er schrieb gerade an dem Buch, das vier Seiten weiter mit den Sätzen beginnt: »Wir sind alle davon überzeugt, daß Ihre Theorie verrückt ist...«
In diesem Buch spielt ein gewisser Philipp mit. Er ist Akademiker, also ein gebildeter Mensch aus der Zukunft, aus dem Jahre 2484, als auf der Erde ein gewisses Problem auftrat. Auch dem Dackel Philipp ist die Bildung nicht abzusprechen. Er beherrscht perfekt alle Hundetricks und noch ein wenig mehr. Er klettert wie eine Katze und balanciert dazu ausgezeichnet.
Vielleicht handelt es sich bei den vier Hunden (ein fünfter schaute nur gelegentlich herein und kann nicht als Mitglied dieser Prager Vorstadt-Bande gezählt werden) auch um fremde Existenzen, die bei dem Schriftsteller Hofman aus Prag einen geheimen Auftrag ausführen.
»Ihr werdet euch«, so sagte der Chef der molekularen Verwandlungs-Abteilung auf dem Planet Prxl in der Galaxie 4 (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Planetoiden Prxl, der schwarz angestrichen und somit unsichtbar dicht um die Erde fliegt), »also ihr werdet euch«, so hat dieser Chef zu seinen Weltraumdetektiven gesagt, »in Hunde verwandeln und bei dem Prager Schriftsteller Ota Hofman heimlich in die Schreibmaschine gucken und mir telepathisch mitteilen, was dort über die Zukunft der Erde gesagt wird.«
Und was noch schlimmer ist: Vielleicht weiß Ota Hofman das längst und hält Verbindung mit der Zukunft, von der wir nichts wissen und die er für seinen nächsten Roman oder sein Drehbuch für eine Kinderserie beim Bayerischen oder beim Westdeutschen Rundfunk oder beim Schweizer Fernsehen (aber nicht beim ZDF) ausnutzen will, statt die nächstgelegene Polizeiwache oder die UNO zu benachrichtigen. So einer ist dieser Schriftsteller Ota Hofman. Er legt mehr Wert darauf, zu den Kindern zu sprechen als zu den ehrwürdigen Institutionen der Menschheit.
Gert K. Müntefering
(Leiter der Programmgruppe Familie beim WDR)
Zukunfts-Lexikon
ZD = Zentraldenker
Elektronengehirn der Zukunft mit Denkschwächen
Vernichter
Zauberkoffer
Zitropom
Frucht des Jahres 2484
Amarone
Eintopf mit allen Geschmäckern auf einmal
Humidieren
Heute noch unbekannte Vergnügungsmethode
Lavadolieren
Auf die Toilette gehen
Trixator
Ein Gerät, mit dem man im Schlafen lernt
Konditiogramm
Trainingsmethode für Körper und Geist
Salamander
Damit macht man Feuer
Anti-Salamander
Damit löscht man Feuer
Maulwurfsgang
Autofahren in der Erde
Zoo-Linguistik
Verständigung mit Tieren über die Sprache
Glühen
Energie-Rohrpost
Kolorisator
Vom Chamäleon übernommene Eigenschaft, die Farbe zu wechseln
Delphine
Meeressäugetiere, auch unter dem Namen Flipper bekannt — künftig Mitglieder des Weltrates
Auge 1
Im 21. Jahrhundert
Auge 2
verbotene
Auge 3
Lauschkameras
Wir sind alle davon überzeugt, daß Ihre Theorie verrückt ist, sind jedoch verschiedener Ansicht, ob sie genügend verrückt ist, um wissenschaftlich richtig zu sein. Ich befürchte, daß sie nicht verrückt genug ist.
NIELS BOHR
1. Die Erde.
Man schreibt das Jahr 2484
Es war nicht mehr Nacht und noch nicht Tag. Thomas mochte diesen Weg zur Morgenschicht. Um 6.01 Uhr begannen über der zentralen Plattform des Kinetodroms die Sterne zu verblassen. Man konnte nur noch ein Funkeln im Blau des Himmels ahnen, wo bereits Streifen des Morgenrots den Himmel rosarot färbten. Dann, um 6.02 Uhr, erstrahlte die Sonne — genau an jener Stelle, wo die Kuppel des Kinetodrom-Gebäudes sich über einen Springbrunnen wölbte und ließ das Wasser in allen Farben des Regenbogens schillern. Dann stieg sie, noch blutrot, über den Horizont empor und blieb genau im Zentrum der Kuppel hängen wie eine gigantische Bogenlampe. Das alles, die parkähnlichen Grünflächen, die Wasserspiele und Springbrunnen, aber auch die Sonne selbst, waren nur Kunstwerke der Raumbildner und Techniker. Trotzdem wirkte dieses »Videorama des Morgens« im Riesenraum der Abfahrtshalle, wo alle zehn Sekunden Glaskabinen mit Reisenden in Gegenden im Süden und Norden des Zentralgehirns starteten, nahezu
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