Was fuer eine Nacht Cowboy
PROLOG
“Bei dem Wetter würde nicht mal ein Eisbär rausgehen”, meinte Noah Tanner mürrisch und spähte durch die Windschutzscheibe. „Es schneit so stark, ich kann kaum noch etwas von der Verdammten Straße sehen.”
Unruhig trommelte er mit seinen schwieligen Fingern auf dem Lenkrad des Kombis, den er fuhr, und nicht zum erstenmal Wünschte er sich, er wäre schon in der Nähe der Ranch seines Bruders. Dort war es wesentlich gemütlicher als in Colorado, wo er zur zeit nur ein Postfach als feste Adresse besaß. Er trat kräftiger aufs Gaspedal und hoffte, so etwas schneller voranzukommen.
Seit gestern abend bemühten sie sieh, ihr Ziel zu erreichen, bevor der angekündigte Schneesturm losbrach. Taggart hatte mit ihm gewettet, dass sie Tanners Ranch in Wyoming in der Nähe des Big Horn vorher erreichen würden.
Noah hoffte inständig, dass er recht hatte.
“Ich habe nichts gegen eine weiße Weihnacht. Nur meinetwegen kann sie noch etwas auf sich warten lassen”, fuhr Noah fort.
Sein Reisebegleiter, Taggart Jones, lachte zuversichtlich. “Wird sie schon tun.
Welcher Schneesturm sollte es wagen, zwei Weltchampions zu überraschen?”
Das entlockte Noah ein Grinsen. Zum Teil wunderte er sich jetzt noch darüber, dass sie beide aus dem NFR-Finale als Sieger hervorgegangen waren. Taggart Jones war der Champion des Jahres im Bullen reiten, und Noah Tanner, der sich zweimal mit dem zweiten Platz hatte begnügen müssen, war diesmal der Champion im Pferdezureiten geworden.
“Da hast du wohl recht”, räumte er ein und blickte kurz auf die neue, glänzende Goldschnalle, die am Gürtel seiner Jeans prangte.
Da es jedoch immer heftiger schneite und die Spuren der Interstate unter der weißen Masse verschwanden, richtete er schnell wieder seine ganze Aufmerksamkeit auf die Straße. So sicher wie Taggart war sich nicht.
“Wir schaffen das schon”, behauptete Taggart erneut. “Wir müssen ja. Morgen früh hat Becky ihre Weihnachtsfeier, und ich habe versprochen, dass ich bis dahin bei ihr bin. Ob es nun hagelt, schneit oder stürmt, wir müssen es schaffen.”
“Natürlich”, pflichtete Noah ihm bei. Wenn es jemand schaffen würde, dann sie. In den Jahren, in denen er von einer Rodeoveranstaltung zur nächsten gezogen war, musste er auf der Interstate 80 wohl insgesamt einen Monat verbracht haben. Also müsste er sie eigentlich in-und auswendig kennen.
“Dieses Jahr hat sie mich das erste Mal seit ihrer Geburt nicht begleit et”, berichtete Taggart.
Noah wusste, Taggart hätte sich über seinen phantastischen Sieg noch mehr gefreut, wenn seine sechsjährige Tochter ihn miterlebt hätte. Doch das war leider nicht möglich, da sie jetzt zur Schule ging.
“Sie wird wütender sein als ein aufgescheuchter Hornissenschwarm, wenn sie erfährt, was sie verpasst hat, und ich obendrein nicht rechtzeitig zu ihrer Weihnachtsfeier da sein sollte”, meinte Taggart und rieb sich den Nacken. “Ich musste ihr felsenfest versprechen, dass ich zu ihrer Feier zurück bin, sonst wollte sie sich heimlich wegschleichen und zu mir trampen.“
Noah musste lachen bei dem Gedanken, dass eine Sechsjährige so viel Unternehmungsgeist besaß, um den Weg von Montana nach Las Vegas zu suchen. Doch da er Becky Jones seit ihrer Geburt kannte, wusste er auch, wenn jemand in dem Alter so etwas tatsächlich fertigbringen würde, dann die eigensinnige, lausbubenhafte Becky.
“Wenn wir vor der Dämmerung bei Tan… äh, Robert und Maggie sind, bist du rechtzeitig da.”
Taggart schmunzelte. “Du hast dich immer noch nicht daran gewöhnt, dass er Robert heißt. Verflixt, jahrelang haben wir ihn alle nur Tanner genannt.”
Für Noah würde der Bruder auch immer so heißen, obwohl er sich bemühte, daran zu denken, dass er auch einen Vornamen hatte. “Seit er Maggie kennen gelernt hat, nennen wir ihn Robert. Was meinst du, wie er sich gefreut hat, als ich ihn anrief und ihm sagte, dass ich gewonnen habe. Aber ich glaube, wichtiger für ihn war, dass Jared zum ersten Mal auf seinem Pony geritten ist.”
Jared war Roberts und Maggies zweieinhalbjähriger Sohn, und obwohl er sich die elterliche Zuneigung inzwischen mit seinen Zwillingsbrüdern teilen musste, wurde Jared von seinem Vater gehütet wie ein Augapfel.
„Das kann ich nachempfinden”, erwiderte Taggart. “Was glaubst du, wie ich mich schon freue, Becky morgen in dem Stück, das sie aufführen, als Schneemann zu sehen.” Er schaute den herabrieselnden Schneeflocken
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